Aus: Der Buchstabe Ta
XC. (90)
Du fassest, Freundin, nicht das Wort,
Hier liegt der Fehler.
Hörst du's von einem Mann von Herz,
Sag' nicht dies ist ein Fehler.
Es biegt mein Kopf sich diesem nicht,
Nicht and'rem Leben, 1
Gesegnet sey der Herr für Zwist,
Der mir im Kopfe lieget.
Ich weiß nicht wer das kranke Herz
Wohl mag bewohnen,
Still bin ich doch, darinnen ist,
Beständig Zank und Lärmen.
Dem Schleier ist mein Herz entflohn, 2
Wo bist du, Sänger?
O sing', es bringt noch dieser Ton,
Vielleicht mein Herz zurechte.
Von jeher hatt' ich nichts zu thun,
Mit Weltgeschäften,
Dein Angesicht hat mir die Welt,
Geschmückt für meine Augen.
Wie oft hab' ich ob deinem Bild,
Kein Aug' geschlossen,
Durch hundert Nächte trink ich Wein,
Wo aber ist die Schenke?
Es ist die Zelle zwar befleckt,
Vom Blut des Herzens,
Wenn du mit Wein sie waschen willst,
Hast du das Recht in Händen.
Es brennt in meinem Herzen Gluth,
Die nie verlöschet,
Deßwegen werd' ich hoch geschätzt,
Im Kloster unsers Wirthes.
Wie, trillerte uns gestern wohl,
In Schlaf der Sänger?
Daß mir der Lebenshauch entfloh,
Daß heut das Hirn noch voll ist.
Man gab dem Herzen gestern Ruf,
Von deiner Liebe,
Aus Sehnsucht ist deßhalb die Brust,
Gefüllt mit Sang und Klange.
Seitdem, als zu Hafisen kam,
Der Ton des Liebchens,
Ward aus Begier des Herzens Berg,
Erfüllt vom Wiederhalle. 3
1 Diese und die andere Welt mögen
auf Hafisens Kopf stürzen, er wird denselben doch nicht
beugen.
Er könnte sich zum Sinnbild eine stählerne Stange
gewählt haben, mit der Inschrift: Frangor, non flector.
2 Mein
Herz hat längst den Schleier der Schamhaftigkeit
weggeworfen.
3 Mein
Herz ist groß geworden, wie ein Berg, aus Sehnsucht nach
dem Liebchen, dieser Herzensberg giebt den Wiederhall des
Tones, in welchem das Liebchen ihn anspricht.
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