Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

I. (1)

Hast du gesehen mein Herz, was der Gram der Liebe gethan hat,
Wie die Huldinn entfloh, was Sie dem Treuen gethan,

Schau das seltene Spiel, was die Zaubernarziße gespielt hat,
Ach der Trunkene! schau, was er dem Weisen gethan.

Liebe, gefärbt sind meine Thränen durch Härte des Freundes,
Schau, was unfreundlich das Loos mir zum Verdruße gethan.

Morgens strahlte ein Blitz herüber von Leila's Wohnung,
Ach! im Hause Medschnun's hat er viel Unheil gethan!

Schenke, gieb mir den Becher mit Wein, denn keiner ergründet,
Was der Schöpfer der Welt Wunder in Zirkeln gethan,

Keiner weiß, was Er, der Maler des sternichten Himmels,
Vom Geheimniß bedeckt, hinter dem Schleier gethan. 1

Liebesgedanken und Sinn hat das Herz Hafisens entflammet, 2
Seht, was der alte Freund seinem Geliebten gethan.

1 Keiner kennt die Ratschlüße des Schicksals, ob es ihm Glück oder Unglück, ein kurzes oder langes Leben bestimmt hat. In dem vorhergehenden Verse erscheint Gott als der große Baumeister der Welt. Niemand weiß, wie er den Zirkel gedreht, wie er den Riß entworfen zum Baue des menschlichen Schicksals, da es nun keiner weiß, und viele Worte hierüber dennoch zu nichts führen, so ist es besser, die Grillen zu vertrinken.

2 Das persische Wort Sucht kann hier sowohl für brennen als für anzünden genommen werden, die Übersetzung läßt es deßhalb unentschieden, ob das Herz den Sinn oder der Sinn das Herz entflamme.


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