Mohammed
Schemsed-din Hafis
(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)
Vorrede:
[Allgemeines über die Übersetzung]
Zueignung Als wir beide vor zweimal sieben Jahren so manche der Abendstunden den persischen Musen weihten, und einige von Hafisens lyrischen Ausflügen, auf Teutona's Fittig getragen, zu erreichen in die Wette rangen, ward eine vollständige und treue Uebersetzung des Dichters in irgend einer europäischen Sprache von uns sehnlichst vermißt. Bald hierauf von Ihnen auf zehn Jahre lang getrennt, sucht' ich oft in Hafisens Gesellschaft, wenn nicht Ersatz, doch einige Entschädigung für den Verlust jener köstlichen Stunden unserer reifern Jugend, und so entstand das Werk, das ich hier wie mein Herz in Ihre Hände gebe. Ein gemeinsames und uns beiden gleich angehöriges wäre es geworden, wenn das Gestirne unser Zusammenseyn länger begünstigt, und wenn Sie nicht als Menschenfreund im heiligsten Sinne des Worts das Studium der Heilkraft der Natur dem der Wunderkraft persischer Poesie vorgezogen hätten; Sie entzogen deßhalb Ihr Leben nicht dem höhern Kultus der Kunst, und heiligten es derselben nur auf verschiedenen Wegen, und auf verschiedenen Altären opfernd Phöbus dem Gott der Dicht- und Heilkunst. Wenn Hafis, mit süßen Worten kosend, den Gram der Liebekranken mildert, und ihnen zum Troste das Gold der Beredsamkeit ausschüttet, so haben Sie den beßren Theil erwählet, wirklich Leidende und wahrhaft Verunglückte mit Rath und That, mit Wort und Gold, mit Körper- und Seelen-Arznei wieder aufzurichten. Dafür lohnet Sie der Dank der Mitwelt, der den Ruhm der Nachwelt in der Wagschale des wahren Verdienstes um das Wohl der Menschheit überwiegt. Als einen Beweis des Dankgefühls, das ich Ihrer vieljährigen Freundschaft und Güte geweihet, nehmen Sie, bitte ich, diese Uebersetzung auf, deren Werth ich nicht beßer zu empfehlen weiß, als indem ich Ihnen mit den Worten des Dichters nach Ihrer eigenen Uebersetzung zurufe: Daß stets durch
deine Pfleg' veredelt ward, _____________ Vorrede Seit den unsterblichen Bemühungen zweyer zu früh gestorbenen gelehrten Geschäftsmänner, des österreichischen Gesandten, Freyherrn von Revitzky, und des englischen Oberrichters, Ritters William Jones, welche einige der schönsten Oden Hafisens in lateinischem Silbenmaaße glücklich wiedergaben, grünt der Name dieses Dichters seit Jahrzehnten an den Ufern der Donau und der Themse, wie er seit vier Jahrhunderten an den Ufern des Oxus und Araxes, von den Gestaden des persischen und kaspischen Meeres, bis zu jenen des schwarzen und weißen blühet. Horaz und Hafis glänzen unter den Sternbildern des Ruhmes, an die sie mit kühnem Scheitel emporstreiften, als ein lyrisches Zwillingsgestirn, jener am westlichen, dieser am östlichen Himmel. Da sich die neuesten Uebersetzungen des ersten noch täglich in allen Zungen vervielfältigen, ungeachtet nur wenige bekennen mögen, denselben nicht in der Ursprache zu verstehen, so darf die erste vollständige Uebersetzung des zweiten sich um so mehr günstige Aufnahme versprechen, als es nur wenigen gegönnt ist, aus dem Urquell selbst zu schöpfen, von dessen Fluth bisher nur einige Silberfaden zu uns herüber geleitet worden sind. Von 576 Gasel * oder Oden, sechs Mesneviat oder Vers für Vers gereimnten längern Gedichte, zwey Kaßide, gewöhnlich für Elegien genommen. 44 Mokataat oder Bruchstücken., 72 Rubajat oder vierzeiligen Strophen, und einem Tachmis, d.i. einem Gedichte von fünfzeiligen Strophen. In allem also von siebenhundert großen und kleinen Gedichten, aus denen der Diwan, d.i. die ganze Sammlung von Hafisens Gedichten besteht, sind bisher beiläufig hundert von Revitzky, Jones, Wahl, Hindley, Nolt, Gladwin und Ousely ins Lateinische, Englische und Deutsche übersetzt erschienen; so daß bißher nur ein Siebentel des ganze Dichters bekannt geworden, sechs Siebentel aber noch unbekannt geblieben sind, als verschleierte Schönen des Harems der persischen Dichtkunst. Die gegenwärtige Verdeutschung wurde während der ersten Anwesenheit des Uebersetzters in Constantinopel 1799 angefangen, und in dem letzten Jahre seines zweyten Aufenthalts 1806 alldort während eines Zeitraumes von 7 Jahren vollendet. Drey andere Jahre verwandte er auf die Feilung der Uebersetzung, und die Bereicherung derselben mit Noten, so daß sie erst nach einer Sorgfalt und Pflege von mehr als zehn Jahren öffentlich zu erscheinen wagt. Als Hilfsmittel zog er die berühmtesten türkischen Commentare zu Rath, Schemii, Sururi, und Sudi, von denen er die beiden ersten in Sultan Abdulhamids Bibliothek einzusehen Gelegenheit hatte, den letzten und vorzüglichsten aber selbst besitzet. Dieser ist bey weitem der Verständigste von den dreyen, indem er sich mehr mit der grammatischen Erklärung als mit der mystischen Deutung des Dichters beschäftigt. Nicht als ob er die Stellen, welche unstreitig blos auf göttliche Liebe und übersinnlichen geistigen Genuß hindeuten, zu bemerken unbesorgt wäre, sondern weil er den Aufruf zu Liebe und Trunk nicht immer mystisch verstanden haben will, wie seine zwey Vorgänger, denen er das undankbare Geschäft überläßt, durch Läuterung aller Stellen, wo von Knabenliebe und Weingenuß die Rede ist, die Ortodoxie des Dichters rechtfertigen zu wollen. Der Uebersetzer ist in die Fußstapfen Sudi's getreten, und wiewohl er die geheimnißvollen Anspielungen und die allegorischen Stellen, derenthalben Hafis im Morgenlande die mystische Zunge heißt, nicht unbeachtet gelassen, so war es ihm doch unmöglich, überall allegorischen Sinn aufzufinden, und mystische Deutung hineinzutragen. So konnte er zum Beyspiel in den glänzenden Schilderungen des Lichtes geliebter Augen keine Spuren von Phaosophie entdecken, woran Hafis wohl eben so wenig gedacht haben mag, als Horaz bey dem me voluit dicere lucidum, fulgentes oculo. Die meisten ähnlichen Stellen schienen dem Uebersetzer so wenig mystisch, ja vielmehr so ganz anakreontisch, oder katullisch, daß er ähnliche Parallelstellen aus griechischen und lateinischen Dichtern, so weit sein Gedächtniß zureichte, immer mit anzuführen für ersprießlich hielt; die lateinischen, spanischen, portugiesischen und englischen Dichter hätten freylich eine weit größere Ausbeute von gleichen Wendungen und Redefiguren geliefert. Mit der romantischen Poesie dieser Völker ist die persische am nächsten verwandt. Aber abgesehen von der Ueberladung des Kommentars, die hieraus entstanden seyn würde, schien es des Kontrastes willen belehrender, den Perser mit den alten Griechen und Römern, als mit den neuern romantischen Dichtern zu vergleichen. Noten und Erklärungen sind nur dort, wo sie unumgänglich nothwendig schienen, angebracht, so kurz als möglich. Das schätzbare Unternehmen, den Text mit dem ganz fortlaufenden Kommentare zu begleiten, nach dem Muster des Freyherr v. Revitzky gegeben, bleibt künftigen Herausgebern des Dichters vorbehalten. Eben so wenig sind Varianten bemerket, (von denen Hindley mehrere gesammelt hat) es liegt durchaus sowohl der Ordnung als Lesart nach der Commentar Sudis zum Grunde. Das höchste Ziel, nach welchem diese Uebersetzung ringet, ist die möglichste Treue nicht nur in Wendung und Bild, sondern auch in Rhythmus und Strophenbau. Wo es möglich war, Vers für Vers wieder zu geben, geschah es, und nie ist die Freyheit weiter ausgedehnt, als auf die Verwandlung eines Distichons in vier Zeilen; hiedurch unterscheidet sich diese Uebersetzung gar sehr von den neuesten englischen, die im eigentlichen Verstande nichts als Paraphrasen sind, wo zwey Zeilen des Originals nicht selten in einem Strophenschwall von acht und zehn Reimen ersäuft sind. Hingegen gieng durch so gewissenhafte Aufmerksamkeit auf gleiche Haltung und Weise, auf gleichen Schritt und Takt, der gleiche Anklang des Reimes, welcher orientalischem Gehöre eine unerläßliche Schönheit dünkt, gänzlich verloren, und nur dort, wo im Originale alle Strophen mit einem und demselben Worte enden, kehrt auch in der Uebersetzung dasselbe Wort am Ende der Strophe wieder. Vielleicht möchte man in einigen Stellen finden, daß ängstliche Treue zu weit getrieben, und durch einige ganz dem Persischen nachgebildete Wendungen zu theuer erkauft worden. Allein da die deutsche Sprache von der Griechinn und Römerinn so manches Geschmeide sich glücklich angeeignet hat, so dürften ihr ein Paar von der Schwester der Perserinn abgeborgte Ohrgehänge um so weniger fremd zu Gesichte stehen.
Weniger fürchtet der
Uebersetzer getadelt zu werden, daß er Bild für Bild
dem Flammenkolorit des Originals hinwarf, ohne die
Schattierungen und Uebergänge, welche die kältere
Fantasie des Abendländers nothwendig findet, aus eigenem
Farbenvorrath hinzu zu thun zu wollen; daß er die
beständige Personenverwechslung, vermög welcher der
Dichter in einer und derselben Gasel von sich, bald in
der ersten, bald in der zweyten, bald in der dritten
Person spricht, in keine Einheit verschmolzen; daß er an
Stellen, die sich unmöglich auf weibliche Schönheit
deuten lassen, sich keine Veränderung erlaubte, was er
hätte thun müssen, wenn er nicht in Ungereimtheiten
verfallen, und z.B. Mädchen wegen ihres grünenden
Bartes hätte loben wollen. Er wollte weniger den
persischen Dichter in den deutschen Leser übersetzen,
als den deutschen Leser in den persischen Dichter. * 1) Gasel die persische anakreontische Ode darf nicht aus weniger als zehn, und mehr als sechs und zwanzig Versen bestehen; ist die Zahl der Verse größer, so heißt das Gedicht 2) eine Kaßide. Bey der einen und andern haben die zwey Verse des ersten Beits oder Dichtichons, welches Schachbeit oder das Königsdistichon heißt, denselben Reim. In den folgenden reimen nur immer die zweiten Verse auf den Reim des ersten Distichons. Im Schlußverse nennt sich der Dichter immer mit seinem Beynamen. 3) Mokataat sind Bruchstücke von Gaselen, denen der Schlußreim fehlt. 4) Mesnewiat, kürzere oder längere Gedichte, in denen immer ein Vers auf den andern reimt, wie bey unseren Alexandrinern. In dieser Reimfolge sind die größern Gedichte epischen, romantischen und moralischen Inhalts geschrieben, die Verse Ferdusi's, Nisami's und Molladschelaleddin's, dessen mystisches Werk vorzugsweise das Mesunoi heißt. 5) Rubajat, Strophen von vier Zeilen, in welchen, wenn der erste, zweyte und vierte Vers denselben Reim haben, der dritte als ungereimt mitlaufen mag. 6) Taschmis, Strophen von 5 Versen, gewöhnlich eine Erweiterung eines schon bekannten Gedichtes, so daß der fünfte immer aus dem schon bekannten Gedichte angepaßt wird. 7) Beit, wie schon gesagt, ein Doppelvers oder Distichon, und Miseaa, ein Hemidistichon oder einzelner Vers.
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