Mohammed
Schemsed-din Hafis
(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)
Vorrede
[Über die Dichtung Hafis]
Die Frage und das Fetwa lauteten, wie folgt: "Gesetzt, Seid sagt: der Diwan Hafisens sey die Sprache göttlicher Geheimniße, und Omar antwortet: er irre sich hierinn, diese Gedichte seyen so wenig geheimnißvolle Ascetensprache, daß mehr als Ein Gesetzgelehrter die Lesung derselben als verboten erklärt habe. Wenn nun hierauf Seid erwiedert: daß (ohne der Ehrfurcht für so große Gesetzgelehrte zu nahe zu treten) dieselben hievon nichts verständen, und daß solche erotische Gedichte kein Löffel für ihren Mund seyen, was ist denn wohl dem Seid von Rechtwegen zu antworten? Fetwa Die Gedichte Hafisens enthalten viele ausgemachte und unumstößliche Wahrheiten, aber hie und da finden sich auch Kleinigkeiten, die wirklich ausser den Gränzen des Gesetzes liegen. Das sicherste ist, diese Verse wohl von einander zu unterscheiden, Schlangengift nicht für Theriak anzunehmen, sich nur der reinen Wollust guter Handlungen zu überlassen, und vor jener, welche ewige Pein nach sich zieht, zu verwahren. Dies schrieb der arme Ebusund, dem Gott seine Sünden verzeihen wolle. Ein musterhaftes Fetwa, wodurch der weise Mufti seine Ortodoxie sehr fein aus der Schlinge zog, und zugleich die Erwartungen der fanatischen Zeloten täuschte, die nur noch mit dem Bannstrahle des Scheichulislam gewaffnet sey wollten, um über den ganzen Diwan Hafisens und alle seine Bewunderer den Stab der verdammung zu brechen. Auch uns scheinen Hafisens Gedichte größtentheils bachantischen und erotischen Inhalts. Ausser einigen wenigen mystischen und moralischen Gaselen enthalten die meisten derselben nichts als den Ausbruch taumelnder Begeisterung des Lebensgenußes. Wein und Liebe, Schenken und Mädchen, Rosen und Nachtigallen, Frühling und Jugend, Genuß und Trennung, Frömmler, Verspottung und Klosterhohn, Schönheitspreis und Dichter-Selbstlob sind die Pole, um die sich die Welt Hafisens zwischen Sonnen und Monden, Morgensternen und Plejaden jauchzend herumdreht. Oder um dem Dichter selbst eines seiner schönsten Bilder abzuborgen, seine Verse sind köstliche Zahlperlen von Meisterhand gebohrt, und an dem Goldfaden des Gasels gereiht, als Haar- und Hals- und Händeschmuck der Schönheit und der Freude. Nehmet dieselben als solche an, begehret nicht, daß die Perlenschnur ein Venusgürtel sey, worinn stilles Sehnen und brennende Begierde, Liebkosen und süßes Zürnen, strafende Eifersucht und gemüthliche Worte durch die Hand der Charitinnen zu einem schönen Ganzen verwoben sind; fordert nicht, daß Perle an Perle wie Silbertropfen zusammengeschmolzen ein Kunstgeschmeide ununterbrochenen Zusammenhangs darstellen. Diese Einheit eines schönen Ganzen, diese Vollendung des Kunstwerks in einem Guße werdet Ihr in Hafisens Gedichten fast überall vermissen; wenn Ihr hingegen das schöne Gebäude auflöset, und die einzelnen Verse verstreuet, so mögt ihr dieselben als eben so viele köstliche Perlen mit Vergnügen bewundern. Der Zauberkreis des Mythus, in welchen der unbändige Genius morgenländischer Fantasie gebannet wird, ist einfach, und bedarf nicht vieler Formeln. Statt auf Adlerschwingen in die Versammlung der Götter, oder auf hippogryphischen Flügeln in den Mond aufzufliegen, hat er mit Simurg, dem greisen weisen Vogel, der als Repräsentant der Vogelwelt an Salomons Hof residirte, und mit Hudhud, dem Widhopf, der dem großen König zum Liebesbothen an Sabas Königinn diente, traute Bekanntschaft, und fragt ihnen Rath und Kunde ab. Simurg wohnt seit Jahrtausenden auf dem Berg Kaf, der wie ein Ring die Erde umgiebt, hinter demselben im Dschinnistan wohnen die Peris oder Feen, zarte luftige Geschöpfe von idealischer Schönheit und Anmuth, aber auch die Diwe oder Dämonen, mit welchen die alten Heroen Persiens so viele Kämpfe bestanden haben. Will er sich in höhere Regionen emporschwingen, so setzt er sich auf die Flügel des Ostwinds, der ihm Kunde vom Liebchen bringt, und der schon Salomonen zum Reitpferd gedient hat. Er schlägt mit kühnen Scheitel an das Sternenschloß Saturns, und an den Silberkranz der Plejaden. Da begegnet er Jupiter dem Mächtigen, und Mars dem Tapferen, aber er geht bei ihnen vorbei, und unterhält sich lieber mit Merkur, dem gedankenreichen Wohlredner, dem himmlischen Dichter, der sinnig mit aufgeschlagenem Buche den Kopf auf die Knie senkt; mit Sohre Anaitis, der himmlischen Sängerinn und Lautenspielerinn, welche durch ihr Spiel den Reigen der Sterne leitet. Jenseits der Sterne im Paradiese ruhen auf weichen Polstern die Huris, die Charitinnen des Himmels, schwarzen Augs und unverwüstbarer Jungfräulichkeit. Dort sprudelt aus den Quellen Kewßer und Selsebil, Milch und Honig und kristallene Fluth, und ambrosische Frucht des Baumes Tuba schwellet den Lippen der Seeligen entgegen. Dort wandeln Adam der Vater der Menschen, Jusuf das Urbild aller Schönheit, Moses, und der Herr Jesus, Maria, die Reine, und der Prophet der Propheten, Mohammed der Hochgebenedeite. Dort halten die Engel den Thron Gottes, welchen der höchste derselben, der heilige Geist, mit seinen Flügeln überschattet. Steigt der Dichter vom Himmel zur Erde, und von der Fabel zu der mit ihr so nahe verwandten Geschichte nieder, so verweilet er gerne mit Alexandern, der im Lande der Finsterniß den Quell des Lebens suchte, aber von Chiser, dem Hüter desselben, getäuscht, seinen Weg nicht mehr zurückfand. Die Mächtigen der Vorwelt mit aller ihrer Pracht und Herrlichkeit sind vorübergegangen, und leben nur noch in der Erinnerung. Wo ist der Becher Dschemschids, das Siegel Salomons, der Spiegel Alexanders, der Hoffstatt Feriduus, die Krone Keichorens, der Dom Efrasiads, der Pallast Nuschirwands, und der Thron von Keikaus? Sie sind verschwunden, und kaum kennt ihren Namen die Sage. Eitelkeit aller Eitelkeiten, und nichts ist wahre Weisheit, als Genuß des Lebens. Wer möchte trauen dem Glücke, der unbeständigen Buhlerinn, und wer bauen auf die Welt, die abgefeimte Betrügerinn? Nützet die fliehende Zeit der Jugend und der Rosen, nützet sie mit Wein und Liebe. Keiner versteht zu genießen und zu lieben wie Hafis. Die Geschichten der zartesten, innigsten, reinsten, heftigsten Liebe, welche der Perser in Chosru und Schirin, und der Araber in Leila und Medschnun darstellt, sind nur Fabeln in Vergleich mit Hafisens treuer, brennender, geduldig ausharrender, leidenschaftlicher Liebe. Er haucht den Geist aus an der Schwelle der Geliebten, und wenn sie einst an seinem Grabe vorübergeht, so werden Flammen daraus emporschlagen, und ihr Hauch sein morsches Gebein wieder zum Leben erwecken. Und wie sollte er sich nicht opfern für Sie, deren Glanz und Wuchs und Farbe und Duft, Sonne und Mond, Rosen und Cedern, Veilchen und Narzissen, Moschus und Ambra beschämt, Sie, deren Rubinenmund den Augen blutige Thränen auspreßt, deren Wimpern Pfeile schießen vom Bogen der Augenbrauen. Wer dürfte die Hand gegen Hafisen aufheben, und ihn seiner Liebe, seines wüsten Lebens wegen schelten? Aendert der Mensch wohl den Spruch des Schicksals, der ihm auf die Stirne geschrieben worden, und ist sein Loos nicht von Ewigkeiten her bestimmt? Wer endlich darf sich mit Hafisen in der Kunst des Liedes messen? Weit übersteigt er auf den Lichtbahnen des Ruhms die Namen vergangener und künftiger Dichter. Wenn er die Leyer schlägt, horchen die Engel den himmlischen Akkorden, und Anaitis, die Reigenführerin der Sterne, fordert selber den Messias im Himmel zum Tanz auf. Mit stolzem Scheitel schlägt er an die Gestirne, und tritt die Welten unter den Füßen; abgestreift hat er die Hülle der Sinnen, entflogen ist dem Käficht der Vogel der Seele, und er trinkt Licht und Weisheit aus dem Quelle des ewigen Lebens, das ist, aus dem Quelle der ewigen Liebe. Wem es gelungen, sich dorthin aufzuschwingen, übersieht von dem obersten Ringe die Ketten der Ursachen und Folgen, überschaut aus dem Zenit der Begeisterung das Gebäude des Universums. Neun Himmel überwölben denselben als Kuppeln; in den sieben Sälen des Clima's sind die Erdbewohner vertheilt, und sechs Thore führen hinein von Osten und Westen, von Süden und Norden, vom Scheitel und Fersenpunkt des Himmels. Der Geist, der sich hoch darüber hinauf geschwungen, wie Sonnenstäubchen zur Sonne, versinkt in die Fluthen des ewigen Lichtes, in den Sphären der andern Welt, deren Abglanz in dieser sich verkörpert. Oft so ernst wie diese hochfliegende Sprache der Sofis und begeisterter Scheiche, aber oft gerade das Gegentheil, scheint Hafis dieser Lehren zu spotten, und statt das Sinnliche zum Uebersinnlichen zu erheben, dieses zu jenem herab zu ziehen. Dann verlacht er die Heuchelei der Derwische und Kalender, preiset die Schenken und Häuser wüster Lust, sieht in den Sagen von Eden und dem ewigen Leben nichts als Bilder der Schönheit des Liebchens und der Freuden des Lebens, ruft Schenken und Sänger auf, und legt in den Mund der Rosen und Nachtigallen die Lehre: Weisheit sey Thorheit und Thorheit Weisheit, Liebe und Wein, Mädchen und Knaben hienieden seyen mehr werth als alle Huris und Quellen des Paradieses dort oben. Diese mit Hafisens Worten selbst gegebene sich selbst mehr als einmal widersprechende Darstellung seiner Ansichten ist nicht blos aus verschiedenen Gaselen gezogen; sondern dieselben Widersprüche, derselbe Absprung vom Wirklichen zum Allegorischen, und vom Uebersinnlichen zum Sinnlichen findet nicht selten in einem einzigen Gasele beysamen, und es erhellet daraus, daß Hafis also weder ganz sinnlich noch ganz allegorisch verstanden werden müße; sondern stellenweise als Herold des Sinnengenußes, und stellenweise als Zunge der mystischen Welt. So mögen ihn auch die Leser von selber verstehen und den Mittelweg zwischen sinnlichem und allegorischem Ausdruck für sich wandeln, ohne daß es bey jedem Seitenpfad der Weghand des Kommentars bedarf. Wie unzusammenhängend und widersprechend aber auch die einzelnen Verse einer Gasele erscheinen, so leuchtet doch überall das Bestreben hervor, dieselben durch den Schlußvers, in welchem der Dichter sich nennen muß, auf Einheit zurückzuführen. Es ist ein unerläßliches Gesetz des Gasels, daß der Dichter in dem letzen oder vorletzten Verse seinen Beynamen künstlich verschlinge, wie den seidenen Faden, um den sich der goldene des Gedichtes windet. Das Strahlenbild dieses Nahmens gehört eben so nothwendig zum Wesen des Gasels, als die schönen Augen zur Natur der Gaselle. Eine Sammlung von Gaselis nach dem Endbuchstaben der Reime alphabetisch geordnet, heißt ein Diwan oder eine Genien-Versammlung, denn dies will das Wort im Persischen sagen.
Der Uebersetzer führet hiemit
als Dollmetscher der hohen Pforte Hafisens die Leser als
Freunde aus der Fremde in seinen Diwan ein.
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