Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

81.

Fort ist Er, und vom Rubine
Seiner Lippe nippt' ich nicht;

Fort ist Er, und satt nicht schaut' ich
Mich an Seinem Mondgesicht.

Scheint es doch, mein Umgang habe
Ihn versetzt in grosse Pein;

Fort ist Er, den Bündel schnürend,
Und ich holt' Ihn nimmer ein!

Fatihas und Stossgebete1
Waren's, die ich häufig sprach;

Fort ist Er; die Sure: Treue2
Hauchte ich umsonst Ihm nach!

Schmeichelnd sprach Er: »Nimmer werd' ich
Aus des Willens Dorfe geh'n.«3

Fort ist Er, Sein Schmeicheln täuschte,
Und du hast's nun selbst geseh'n.

 »Wer mich will besitzen - sprach Er -
Trenne von sich selber sich.«

Fort ist Er, und weil ich hoffte,
Trennt' ich von mir selber mich.

Auf der Huld und Anmuth Wiese
Schritt Er stolz einher; allein

Fort ist Er, und nie betrat ich
Seiner Vollgunst Rosenhain.

Wie Hafis hab' ich gejammert
Und die ganze Nacht geklagt;

Fort ist Er und weh, ich habe
Nicht Ihm Lebewohl gesagt!
 

1 Fatiha, d.i. die Eröffnende, heisst die erste Sure des Koran's, die bei den Musulmanen ungefähr das ist was bei uns das Vaterunser. - Das Stossgebet, das im Originale Hirsi Jemani, d.i. Jemenischer Schutz genannt wird, ist eines der bekanntesten Stossgebete, über welches mehrere arabische und persische Commentare bestehen.

2 Die Sure Ichlass, d.i. die der Treue, die 112. des Koran's.

3 D.h.: Nie werde ich deinem Willen zuwider handeln.

 

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