Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

82.

Weh! Mich liess der Freund an Kummer
Und an Weh gebannt und floh;

Setzte mich, dem Rauche ähnlich,
Auf den Feuerbrand und floh;

Reichte mir, dem Liebetrunk'nen,
Nicht ein einz'ges Gläschen dar,

Gab mir aber Gift zu kosten
Mit der Trennung Hand und floh.

Als ich seine Beute wurde,
Liess er mich im Meer des Gram's

Wund und krank; und seinen Zelter
Spornte er gewandt und floh.

Als ich sprach: »Vielleicht gelingt es
Ihn mit List zu fesseln mir,«

Fuhr er auf; mein Glückesrenner
Schreckte sich und rannt' und floh.

Weil mein Blut den Raum im Herzen
Allzu enge fand, geschah's,

Dass es rosig1 aus den Augen
Durch das Feld sich wand und floh.

Weil der Knechtschaft Wonne nimmer
Diesem Sklaven ward zu Theil,

Sandt' er Grüsse ab und küsste
Jener Schwelle Rand und floh.

Schleier deckten noch die Rose,
Als der Morgenvogel schon,

In Hafisens Garten eilend,
Stoff zu Klagen fand und floh.
 

1 Hafis beabsichtigt hier einen Doppelsinn, da Gülgiun, rosig, auch der Name des berühmten rosenfarbenen Pferdes des Chosrew Parwis ist. Der zweite Sinn wäre daher: Das rosenfarbene Pferd (des Herzensblutes) rannte durch die Bahn der Augen auf das Feld.

 

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