Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

2.

Es sprach am frühen Morgen
Der Sprosser zu dem Oste:

»Wie quält mich das Verlangen
Nach einer Rose Wangen!

Ob jener Wangen Farbe
Strömt mir das Blut zum Herzen;

Ob dieser Rosen Sitze
Sticht mich des Dornes Spitze.«

Dem Hochsinn jenes Zarten
Will ich zum Sclaven werden,

Der ohne Gleissnereien
Sich mag der Tugend weihen.

Die Morgenlüfte mögen
Sich Jenem hold erweisen,

Der Arzeneien brachte
Dem, der die Nacht durchwachte!

 Ich will mich über Fremde
Nicht fernerhin beklagen,

Denn ein Bekannter übte
Stets das was mich betrübte.

Heischt' ich vom Sultan Gaben,
Beging ich einen Fehler;

Wünscht' ich vom Holden Treue,
So quält er mich auf's Neue.

An jeder Stelle klaget
Der liebentbrannte Sprosser:

Der Ostwind nützt die Musse
Zum seligen Genusse:

Denn er entschleiert Rosen
Und Hyacinthenlocken,

Und nimmt die Knotenbande
Der Knospe vom Gewande.

Bring' die erwünschte Kunde
In's Dorf der Weinverkäufer:

 »Der falschen Tugend Schimmer
Entsagt Hafis auf immer.«

Nur Bulwefa, des Staates
Und Glaubens Zierde, war es.

Der unter allen Grossen
Mich treulos nicht verstossen.1
 

1 Kiemali din u dewlet Bul wefa, die Zierde, die Vollkommenheit des Glaubens und des Staates, der Vater der Treue, ist der Name eines Gönners und Wohlthäters Hafisens, dem hier dieser Name Gelegenheit gibt auf die Treue, Wefa, anzuspielen, von welcher er ihm Beweise gegeben hat.

 

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