Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

3.

Ein Sprosser zog einst eine Rose
Mit seinem Herzensblute gross;

Da stürmt des Neides Wind verheerend
Mit hundert Dornen auf ihn los.

Ein Psittich lebte einst zufrieden
Und sehnte sich nach Zucker nur;

Da löscht der Waldstrom des Verderbens
Vom Hoffnungsbild ihm jede Spur.

Des Auges Glanz, die Frucht des Herzens
War Er1, und nie vergess' ich mehr,

Wie Er so leicht von mir geschieden
Und mir das Herz gemacht so schwer.

O hebe, Karawanenführer,
Mir die gefall'ne Ladung auf,

Denn nur in Hoffnung deiner Güte
Verfolgt' ich dieser Sänfte Lauf.2

Verachte nicht den Staub der Wange
Und nicht des Auges hellen Thau:

Schuf doch der türkisfarb'ne Himmel
Aus diesem Lehm den Freudenbau.3

Ach, wegen jenes Neiderauges
Des Mond's, den wir am Himmel schau'n,

Muss in des Grabes Hause wohnen
Mein Mond mit bogengleichen Brau'n!

Hafis, du hast zu spät rochiret;4
Nun schwand die Möglichkeit sogar.

Was thu' ich nun? Das Spiel der Tage
Ist Schuld, dass ich nicht achtsam war.
 

1 Hafisens verstorbener Sohn, auf dessen Tod er dieses Ghasel verfasste.

2 Unter dem Karawanenführer ist ein theilnehmender Freund des Dichters verstanden, den er bittet, ihm die schwere Last des Schmerzes tragen zu helfen, denn nur dann könne er dem Leichenzuge folgen.

3 D.h.: Setzte doch der Himmel das Leben, das der Dichter hier ironisch einen Freudenbau nennt, aus einem Lehme zusammen, dessen Bestandtheile der auf die Wange gestreute Staub der Trauer und der Thau des Auges, d.i. die Thräne, sind.

4 Ein Bild vom Schachspiele hergenommen, welches so viel sagen will, als: Du hast die Zeit versäumt, d.i. deinen Sohn nicht heirathen lassen, damit du doch den Trost der Enkel gehabt hättest.

 

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