Aus: Buchstabe Dal
8.
Der Ssofi spannet seine Netze
Und öffnet eines Bechers Haupt,1
Indem er vor dem Himmelsgaukler
Den Bau der Ränke sich erlaubt;2
Dagegen schlägt ihm an der Mütze
Des Himmels Spiel ein Ei entzwei,3
Weil er mit einem Eingeweihten4
Getrieben freche Gaukelei.
Komm, Schenke, nun der schöne Liebling,
Der aller Ssofis Herz gewann,
Sich abermals im Glanze zeigte
Und schelmisches Gekos begann.
Aus welchem Land kommt dieser Sänger,
Der nach Irak gewollt, und jetzt,
Um durch Hedschas zurückzukehren,
Sich in Bewegung hat gesetzt?5
Komm, Herz und lass zu Gott uns flüchten
Vor jedem Dinge, das gethan
Der schlaue Mann mit langen Händen,
Der kurze Ärmel trägt daran.6
Betrüge nie! Wer in der Liebe
Nicht ehrlich spielt, dem schliesst im Nu
Vor seines Herzens Angesichte
Des Sinnes Thür die Liebe zu.
Wenn morgen die Gestalt der Wahrheit
Den Blicken wird erschienen sein,
Wird sich der Wand'rer schämen müssen,
Der nur gehandelt nach dem Schein.
O Repphuhn mit dem schönen Gange,
Wohin verlangt es dich zu geh'n?
Misstraue immerdar der Katze,
Die betend scheint zu Gott zu fleh'n!7
Hafis, verdamme keinen Zecher!
Schuf Gott mich ja vor Ewigkeit
Erhaben über falsche Tugend
Und gleissnerische Frömmigkeit.
1 D.h.: Hob den Deckel
von jener Art von Bechern, deren sich die Taschenspieler bei ihren
Künsten bedienen; er wollte seine Kunst in der Vorführung seiner
Gaukeleien öffentlich ausüben.
2 D.h.: Indem er den Himmel, d.i. das Schicksal, das selbst ein Gaukler
ist, weil es allerhand Spuk mit den Menschen treibt, überlisten wollte.
3 D.h.: Dafür beschämt ihn der Himmel, gibt ihn dem Gelächter Preis, wie
wandernde Taschenspieler oft zu thun pflegen, die einem dummen Zuschauer
einreden, sie würden ein Ei in seinen Haaren verstecken, worauf sie ihm
das Ei auf den Kopf legen, eine Mütze darüber setzen und mit der Faust
das darunterliegende Ei zerschlagen, so dass das Doter dem dummen
Zuschauer zum Gelächter der Umherstehenden über das Gesicht rinnt.
4 D.i.: Mit dem Himmel, dem Schicksale.
5 Wörtlich: Woher ist dieser Sänger, welcher Anstalt (zur Reise) nach
Irak machte und im Begriffe stand über die Strasse von Hedschas
zurückzukehren? - Fast jedes Wort dieses Distichons hat eine doppelte
Bedeutung, eine gewöhnliche und eine auf die Tonkunst übertragene. So
heisst Sas Anstalt und Tonweise; Irak ist der Name einer Landschaft und
einer (heiteren, fröhlichen) Tonweise; Aheng kerden heisst im Begriffe
stehen und musiciren, Bas kescht Zurückkehr und Übergang von einer
Tonweise zur anderen, Rah Tonwechsel und Strasse und Hedschas ist der
Name einer Landschaft und einer (melancholischen) Tonweise. - Der zweite
Sinn dieses Distichons wäre also: Woher ist dieser Sänger, der die
(fröhliche) Tonweise Irak aufspielte und über den Tonwechsel der
(melancholischen) Tonweise Hedschas musicirend wieder (in die vorige
fröhliche Tonweise) überging?
6 D.i. der diebische Scheinheilige - Das persische Wörterbuch Ferhengi
Schuuri bemerkt, dass die Scheinheiligen deshalb kurze Ärmel tragen, um
desto leichter für ehrliche Leute gehalten zu werden, da das Handwerk
der Diebe lange Ärmel erfordert.
7 Dies bezieht sich auf die bekannte Fabel von der Katze und dem
Repphuhn. Erstere hatte sich einen Rosenkranz um den Hals gehangen und
die Andächtige gespielt, wodurch das Repphuhn getäuscht sich ihr
bewundernd nahte und von ihr gefangen wurde.
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