Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

15.

Sein gedenk' ich, der da nimmer
Auf der Reise mein gedacht

Und mein traurend' Herz nicht fröhlich
Durch ein Abschiedswort gemacht.

Jener Sohn des jungen Glückes,
Der nur schrieb was gut und recht,1

Wesshalb hat er nicht die Freiheit
Mir geschenkt, dem alten Knecht?

Nur mit blutvermengtem Wasser
Wasch' ich das Papierkleid2 mir,

Denn es führte mich der Himmel
Nimmer hin zum Rechtspanier.3

Hoffend, einer seiner Töne
Breche sich zu dir die Bahn,

Klagt mein Herz in diesem Berge
Lauter, als Ferhad gethan.4

Dir gebührt's des Ostes Boten
Zu ertheilen Unterricht,

Denn ein flinkeres Bewegen
Haben selbst die Winde nicht.

Sprosser bauen - seit dein Schatten
Von der grünen Wiese wich -

In des Buchses Lockenringen
Nimmer ihre Nester sich.

Keinem malt der Allmacht Pinsel
Seine Wünsche an die Wand,5

Der die Gottheit deiner Reize
Nicht zuvor erst anerkannt.

Sänger, wechselnd deine Töne,
Stimm' irak'sche Weisen an,

Denn der Freund, mein nicht gedenkend,
Eilte fort auf dieser Bahn.6

Iraki's7 Ghaselen sind es.
Singt Hafis uns ein Gedicht:

 Dieser Ton, der Herzen senget,
Wem entlockt er Klagen nicht?
 

1 D.h.: Der sonst nur Freilassungsbriefe für Sclaven ausfertigte, was ein frommes Werk ist.

2 Eine Anspielung auf eine persische Sitte, nach welcher diejenigen Armen, die bei dem Könige eine Klage vorzubringen haben, sich auf seinen Weg stellen und, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, ein Gewand aus Papier anziehen, das sie anzünden. Ein Gleiches thun Kläger auch vor dem Richter.

3 D.h.: Denn das Schicksal versagte mir Recht und Gerechtigkeit.

4 Ferhad, der Liebhaber Schirins, der Gemahlin des persischen Königs Chosrew Perwis, füllte Berge mit Tönen der Klage über sein unglückliches Loos. - Unter dem Berge ist hier die Welt gemeint.

5 D.h.: Gott der Allmächtige gewährt Jenem nie die Erfüllung seiner Wünsche, der u.s.w.

6 D.h.: Stimme irak'sche Tonweisen an, um mich aufzuheitern, da der Freund, ohne mein zu gedenken, nach Irak eilte. Siehe über Irak die 5. Anmerkung zum 8. Ghasel aus dem Buchstaben Dal.
[Irak ist der Name einer Landschaft und einer (heiteren, fröhlichen) Tonweise;]

7 Iraki, dessen eigentlicher Name Ibrahim Ben Schehriar ist, war ein aus Hamadan gebürtiger, berühmter mystischer Dichter. Er starb 82 Jahre alt in Syrien unter der Regierung Muhammed Chodabende's im Jahre 709 (1319) und liegt in Ssalahije (Vorstadt von Damascus) begraben.

 

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