Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

21.

Benimmt die Schaar der Schönen sich
So freundlich, dann gewiss

Macht in der Frömmler Glauben sie
In Bälde einen Riss.

Wo immer mein Narzissenzweig
In voller Blüthe steht,

Da machen Rosige ihr Aug'
Ihm zum Narzissenbeet.1

Kaum dass mein Freund den Reigensang
Beginnt, so schlagen schon

Die Engel ihm den Tact dazu
Herab vom Himmelsthron.

Des Glückes hehre Sonne zeigt
Sich dir in lichter Pracht,

Wenn man des Herzens Spiegel dir
Hell wie den Morgen macht.

Gebieten können Liebende
Nicht über's eig'ne Haupt,

Und nur was du befehlen magst,
Gilt ihnen für erlaubt.

Der Mann in meinem Auge ist
Umgeben rings von Blut:

Behandelt man die Menschen wohl
Mit solchem Übermuth?

O Jüngling wie Zipressen schlank,
Schlag' rasch den Ball empor!

Sonst macht man deinen hohen Wuchs
Zum Schlägel noch zuvor.

So klein vor meinem Auge ist
Ein einz'ger Tropfen nicht.

Als jene Sündfluth, die so oft
Des Volkes Mund bespricht.

Wo feiert man dein Wangenfest,
Dass der Verliebten Schaar

 In Treue ihre Seele dir
Als Opfer bringe dar?2

Herz, traure nicht, weil, wer vertraut
Mit dem Geheimniss ist,

Im Schmelzgefäss der Trennungspein
Der höchsten Lust geniesst.

Hafis, verwende nicht dein Haupt
Vom Ach der Mitternacht.

Weil man des Herzens Spiegel dir
Hell wie den Morgen macht.
 

1 D.i.: Blicken die rosenwangigen Schönen auf ihn. - Dass die Narzisse dem Morgenländer das Sinnbild des Auges sei, ist schon bemerkt worden.

2 Zu Vers 10; d.h.: Gegen die Thränen meiner Augen ist die Sündfluth unbedeutend, und zum 12. Vers: Anspielung auf die am Feste Bairam üblichen Opfer.

 

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