Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

22.

Ich sprach: »Dein Mund und deine Lippe,
Wann thun sie wohl was ich begehrt?«

Er sprach: »Vom Herzen1 wird von ihnen
Was du nur heischen magst gewährt.«

Ich sprach: »Es fordert deine Lippe
Ägyptens reichen Zoll zum Lohn.«

Er sprach: »Ein Handel, so wie dieser,
Wird Keinen mit Verlust bedroh'n.«

Ich sprach: »Wer hat den Weg gefunden
Zu jenem Puncte, deinem Mund?«2

Er sprach: »Nur dem, der Feines kennet,
Gibt man dies zarte Mährchen kund.«

Ich sprach: »O sei kein Götzendiener
Und lebe nur mit Gott allein!«

Er sprach: »Im Gaue wahrer Liebe
Soll dies und jenes Sitte sein.«

 Ich sprach: »Die Lust an einer Schenke,
Sie ist es die das Herzleid stillt.«

Er sprach: »Glückselig ist zu nennen
Wer je ein Herz mit Trost erfüllt.«

Ich sprach: »Es passt im Glauben nimmer
Das Weinglas zu dem Mönchsgewand.«

Er sprach: »Doch nach des Wirthes Glauben
Nimmt man sie Beide wohl zur Hand.«

Ich sprach: »Was frommt dem alten Mann
Der süssen Schönen Mundrubin?«

Er sprach: »Durch Küsse, süss wie Zucker,
Macht er zu einem Jüngling ihn.«

Ich sprach: »Die Zelle zu betreten,
Wann fühlt sich wohl der Herr3 geneigt?«

Er sprach: »Wenn sich vereint am Himmel
Der Mond und Jupiter gezeigt.«4

Ich sprach: »Für deine Wohlfahrt beten
Ist stets Hafisens frommer Brauch.«

 Er sprach: »Ein Gleiches thun die Engel
In allen sieben Himmeln auch.«
 

1 Wörtlich: Auf dem Auge. Das Legen der Hand auf das Auge ist bei den Orientalen die Pantomime der Bereitwilligkeit zum Dienste.

2 Ein kleiner Mund heisst bei persischen Dichtern häufig: ein Nichts, ein Atom, eine Null, ein Punct.

3 Der bereits erwähnte Wesir Kawameddin Hassan, Hafisens Gönner.

4 Eine Anspielung auf die Vermählung des Wesir's Kawameddin Hassan, der hier mit dem Planeten Jupiter, wie seine Braut mit dem Monde, verglichen wird.

 

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