Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

24.

Setzen sich jasminenduft'ge Schöne
Hin zu uns, wird sich der Gramstaub setzen;

Peris rauben uns die Herzensruhe,
Wenn zum Streite sie die Waffe wetzen;

Fest und kräftig schnüren sie die Herzen
Mit der Unbild Sattelgurt zusammen

Und verstreuen die Ambralocken schüttelnd
Alle Seelen, die auf ihnen schwammen.

Wenn sie erst ein Weilchen bei uns sassen,
Steh'n sie alsbald auf von ihren Sitzen,

Ach, und pflanzen, wenn sie aufgestanden,
Sehnsuchtszweige in des Busens Ritzen.

Lachen sie, entlocken meinem Auge
Sie granatenfarbige Rubine

Und errathen, wenn auf mich sie blicken,
Meine Räthsel schnell aus meiner Miene.

Finden sie die stillen Klausner weinend.
Wissen sie die Thränen sich zu deuten

Und dann wenden, wenn sie erst sie kennen,
Sie sich liebend zu den frommen Leuten.1

Wer da leicht die Schmerzen wähnt zu heilen,
Die die Liebe immerdar begleiten.

Ist nicht fähig Jene zu begreifen,
Die allein die Arzenei bereiten.

Den Manssuren ähnlich, sind nur Jene
Ganz beglückt, die an dem Galgen hangen;2

Wollten aber ihren Schmerz sie heilen,
Würden nimmer sie zum Zweck gelangen.

Die in Sehnsucht fleh'n zu jenem Hohen,
Werden nicht mit Härte aufgenommen;

Doch Hafis, an diesen Thron gerufen,
Muss von dannen zieh'n wie er gekommen.3
 

1 Das hier mit fromme Leute übersetzte Wort heisst wörtlich: die (um zu Gott zu beten) früh aufstehenden, was hier der Dichter mit der zweiten Bedeutung des Wortes Mihr, das Liebe und Sonne bedeutet, absichtlich in Verbindung bringt, da auch die Sonne sich früh von ihrem Lager erhebt.

2 D.h.: Glücklich sind nur Jene, die, wie Manssur für ihre Überzeugung, für ihre Liebe sterben. Über Manssur siehe die 1. Anmerkung zum 9. Ghasel aus dem Buchstaben Dal.

[1 Der Freund, durch den das Haupt des Galgens erhöht ward, d.h. der den Galgen zu hohen Ehre brachte, war Hussein Manssur Halladsch, d.i. der Wollkrämpler, dessen Biographie Tholuck in seiner Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, Berlin 1825, in deutscher Übersetzung aus Ferideddin Attar's Teskeretulewlia, d.i. die Biographie der Heiligen, mitgetheilt hat. Er war aus Beidha, einem Flecken in Fars, gebürtig und zu Wassith erzogen. Seine mystischen Schriften, seine Beredsamkeit und der Glaube, dass er die Wundergabe besitze, das Geheimste was in den Häusern vorging, nicht minder als die geheimsten Gedanken zu errathen, zogen ihm zwar viele Freunde, doch noch mehr Feinde und Neider zu. Er soll zuerst die Lehren von der Einheit des Wissenden mit dem Gewussten verbreitet haben, welche er in die Worte: Ena'l-hakku, d.i. Ich bin die Wahrheit, kleidete. Er wurde, nachdem er von einer Reise nach Indien, Transoxana und China zurückgekehrt war, wohin er sich, wie er behauptete, begeben hatte, um jene abgöttischen Länder zu dem Einen wahren Gotte zu bekehren, der Irrlehre und vorgeblicher Wunder beschuldigt und von den Imamen Bagdad's einstimmig zum Tode verurtheilt. Nach den furchtbarsten Martern, zu deren Erleidung der Rausch der Schwärmerei ihm übermenschliche Kräfte gegeben hatte und unter denen er unaufhörlich seinen obigen Satz wiederholte, wurde er im J. der Hidschra 309 (921 n. Chr.) unter dem Chalifate Muktedir Billah's als Ketzer gehangen.]

3 Wörtlich: Sie (nämlich die Schönen, von denen einer den Dichter zu sich an seine Thron berief) sind Fürsten (Miranend), denen es wohl zukommen mag, nach Laune und Belieben zu handeln. Dieses Ghasel strotzt von Wortspielen, indem das mit dem vorletzten in Bezug auf den Laut fast immer ganz gleiche letzte Reimwort dem Sinne nach ganz verschieden ist.

 

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