Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

25.

Reiner Wein und holde Schenken
Sind als Netze anzuseh'n,

Da die Klügsten dieser Erde
Ihren Schlingen nicht entgeh'n.

Zwar verliebt bin ich und trunken
Und mein Buch ist schwarz;1 allein

Tausend Dank, dass meine Freunde
In der Stadt so schuldlos sei'n.

Mache, trittst du in die Schenke,
Anstand zur Bedingniss dir,

Denn Vertraute hoher Kaiser
Wohnen an dem Thore hier.

Kein Derwisch, kein wahrer Pilger
Geht mit Härte in's Gericht;

Bringe Wein, denn diese Wand'rer
Sind des Pfades Männer nicht.2

Sorge, dass sich nicht zertrümm're
Deiner Anmuth Wandelstern,

Denn dann fliehen und entlaufen
Knechte dir und Diener gern.

Blicke auf der Liebe Bettler
Mit Verachtung nicht und Hohn:

Kaiser sind sie ohne Gürtel3
Und Monarchen ohne Thron.

Merke dir was ich dir sage:
Wenn des Hochmuth's Winde weh'n,

Will um tausend Demuthgarben
Man kein halbes Korn ersteh'n.

Allen gleichgefärbten Trinkern
Treu zu dienen ist mir Pflicht;

Nur der Schaar im blauen Kleide
Mit dem schwarzen Herzen nicht.4

Hoch erhaben ist die Liebe:
Auf, Hafis, ermanne dich!

 Denn es halten die Verliebten
Jeden Feigen fern von sich.
 

1 D.h. Ich stehe im schwarzen Buche.

2 D.h.: Denn die Männer dieser Zeit sind keine wahren Frommen.

3 Bekanntlich vertritt bei orientalischen Fürsten die Säbelumgürtung die Stelle der Krönung.

4 Die gleichgefärbten Trinker, d.i. die Männer, deren Handlungen mit ihren Worten eins sind, sind die Jünger Scheich Mehmed oder Mahmud Attar's aus Schiras, zu denen auch Hafis gehörte. Er war nie eigentlicher Vorstand eines Derwischklosters gewesen, sondern handelte mit Gewürzwaaren, daher sein Beiname Attar, d.i. Gewürzkrämer. Wegen der Übereinstimmung seiner Handlungen mit seiner Denkweise hiess er Jekrenk, d.i. der Einfärbige und wegen seiner Freundlichkeit Gülrenk, d.i. der Rosenfarbene. Seine Anhänger waren in stetem Streite mit den blaue Kleider tragenden Jüngern des Scheich Hassan Asrakpusch, d.i. des Blaugekleideten; die Blauen sind die Betrachtenden, die Rosenfarbenen die Geniessenden. Die Schaar im blauen Kleide mit dem schwarzen (bösen) Herzen sind die falschen Ssofis, die Jünger des Scheich Hassan Asrakpusch. Siehe die 2. Anmerkung zum 5. Ghasel aus dem Buchstaben Elif.

[2 Die blaue Kutte, welche die Jünger des von Hafis für einen Gleissner gehaltenen Scheich Hassan Asrakpusch, d.i. des Blaugekleideten, und dadurch gleichsam anzeigen wollten, dass sie ihre Seele von irdischen Gelüsten rein hielten und zu Gott und dem Himmel erhöben. Sie waren erklärte Feinde des Scheich Muhammed oder Mahmud Atthar, des Lehrers Hafisens in den Geheimnissen der Ascetik. Hafis hatte von jenem Scheiche oft Vorwürfe über seine allzufreie Lebensweise zu ertragen.]

 

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