Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

52.

Von Assaf erschien ein Bote
Mit der Kunde gestern Nacht,

Dass nun Salomon, der König,
Winke zum Genuss gemacht.1

Mache durch des Auges Wasser
Meines Körpers Staub zu Thon:

Denn für's wüste Haus des Herzens
Kam die Zeit des Aufbau's schon.

Du o weinbefleckte Kutte
Hülle meine Schande ein!

Kam ein Freund doch zum Besuche
Mit dem Saume blank und rein.

Was man von des Freundes Schönheit
Nimmer Endendes erzählt,

Ist der tausend Silben Eine,
Die der Ausdruck sich erwählt.

 Aller Schönen Rang und Stufe
Theilt man uns noch heute mit,

Wenn erst jener Mond des Kreises
Zu dem Ehrenplatze schritt.

Eine Leiter zu der Sonne
Ist die Krone Dschem's; und doch

Sieh wie kühn bis auf zum Throne
Die gemeine Ämse kroch.2

Herz, vor Seinem Schelmenauge
Nimm den Glauben wohl in Acht!

Jener Zaub'rer mit dem Bogen
Ist auf Plünd'rung nur bedacht.

Könige sind Oceane:
Nütze die Gelegenheit

Du, der Schaden hat gelitten:
Kam doch des Gewinnes Zeit.

Du, Hafis, bedeckt mit Flecken;
Flehe zu des Königs Huld:

 Dieses Element der Grossmuth
Reinigt ja von aller Schuld.
 

1 D.h. den Weingenuss erlaubte. Dieses Ghasel bezieht sich auf das von Schah Schedscha bei seiner Thronbesteigung aufgehobene Weinverbot. Unter Salomon ist dieser König, und unter Assaf dessen Wesir Kawameddin Hassan verstanden.

2 Als alle Thiere vor dem Throne Salomon's, an dessen Stelle hier Hafis den König Dschem setzt, mit reichen Huldigungsgaben erschienen waren, fasste sich auch die kleine Ameise ein Herz und brachte ihm einen Strohhalm zum Geschenke dar.

 

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