Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

106.

Pflanze nur den Baum der Freundschaft:
Seine Frucht beglückt das Herz;

Doch zerbrich den Zweig der Feindschaft,
Denn er bringt unzähl'gen Schmerz.

Habe Achtung vor den Zechern,
Bist du einer Schenke Gast;

Denn sie schmerzt der Kopf, o Seele,
Wenn ein solcher Rausch dich fasst.1

Nütze die gesell'gen Nächte:
Denn, ist uns're Zeit vollbracht,

Kreist der Himmel fort und bringet
Manchen Tag und manche Nacht.

Gib, o Gott, dass Leïla's Sänfte
- Diese Wiege für den Mond2 -

An dem Ort vorüberziehe,
Den Medschnun, ihr Freund, bewohnt.

Wünsche dir den Lenz des Lebens,
Herz, weil jährlich und verjüngt

Diese Wiese hundert Rosen,
So wie tausend Sprosser bringt.

Einen Bund mit deiner Locke
Ging mein Herz, das wunde, ein:

Lass den Mundrubin, den süssen,
Ihm nun auch Bestand verleih'n!3

Herz, du fielst: denn Lasten Grames
Trägst du hundert Pfunde4 schwer;

Geh' und nimm ein Schlückchen Weines:
Völlig stellt's dich wieder her.

Das ergraute Haar Hafisens
Wünscht von Gott auf dieser Flur

Einen Sitz am Bach, daneben5
Ein Zipressenbäumchen nur.
 

1 D.h.: Du machst ihnen Schmerz, wenn du dich so ungebührlich benimmst.

2 Für die dem Mond gleiche Leila nämlich.

3 D.h.: Lass deinen Mund versprechen, dass jener Bund nicht so flatterhaft sei, wie dein Haar.

4 Im Texte: Menn, der bereits erwähnte Name eines Maasses und Gewichtes.

5 Der Ausdruck im Texte ist: Der Kenar, das in Bezug auf den Bach: am Ufer, und in Bezug auf den mit einer Zipresse verglichenen Freund im Arme bedeutet.

 

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