Aus: Buchstabe Te
4.
Meines Willens Haupt liegt immer
Auf des hohen Freundes Schwelle:
Was mein Haupt auch möge treffen,
Seinen Willen hat's zur Quelle.
Nichts dem Freunde Gleiches sah ich,
Hielt auch, des Vergleiches wegen,
Ich die Spiegel: »Mond und Sonne«,
Dieses Freundes Wang' entgegen.
Kann der Ostwind wohl erklären,
Was mein Herz so sehr beenge,
Dass, wie bei der Knospe Blättern,
Falte sich an Falte dränge?
Nicht nur ich bin's, der hienieden1
Krüge leert in vollem Zuge:
Manches Haupt in dieser Werkstatt
Ist auch Thon zu einem Kruge.2
Hast du deine Ambralocken
Etwa mit dem Kamm gelüftet,
Weil die Winde Bisam hauchen,
Und die Erde Ambra düftet?
Jedes Rosenblatt der Wiese
Will ich vor dein Antlitz streuen,
Will des Bach's Zipressen alle
Deinem schlanken Wuchse weihen.
Keine Menschenzunge schildert,
Was Er weckt für Sehnsuchtsklagen:
Kann da mit beschnitt'ner Zunge
Noch das Rohr3 zu schwätzen wagen?
Mir in's Herz kam deine Wange:4
Meinen Wunsch werd' ich erreichen,
Denn ein schöner Stand der Dinge
Folget auf ein schönes Zeichen.
Nein, Hafisens Herz durchglühet
Nicht erst jetzt die Gluth der Minne:
Maale, gleich des Feldes Tulpen,
Trägt er schon vom Urbeginne.
1 Wörtlich: In diesem,
die Trunkenbolde verbrennenden Kloster (der Welt).
2 D.h.: Noch manches andere Haupt, ausser dem meinigen, ist in dieser
Töpferwerkstatt der Welt auch nur Töpfererde und füllt sich, als Krug,
mit dem Wein (der Liebe).
3 Das Schreibrohr, die Feder der Orientalen.
4 D.h.: Ich dachte an deine Wange.
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