Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

132.

Wer Ruhe des Gemüth's besitzt
Und einen zarten Freund,

Dem Glücke hat er sich gesellt,
Der Seligkeit vereint.

Des Liebesheiligthumes Thron
Reicht über den Verstand

Und seine Schwelle küsset nur
Wer Muth zum Sterben fand.1

Wohl scheint das Siegel Salomon's
Sein enger, süsser Mund:

Beherrscht ja Sein Rubinenring2
Das ganze Erdenrund.

Von Moschus hat Er einen Flaum
Und Lippen von Rubin;

Und da er dies und jenes hat,
So schwärme ich für Ihn.

 So lang du auf der Erde weil'st,
Benütz' die Kräfte gut,

Da viele Unkraft durch die Zeit
Tief in der Erde ruht.

O Reicher, blick' verachtend nicht
Die schwachen Dürft'gen an:

Den ersten Platz im Ehrensaal
Hat ja der Bettelmann.

Der Seele und des Leibes Noth
Wird durch's Gebet gelähmt:

Wem frommt die Garbe, wenn sie sich
Des Ährenlesers schämt?

Erkläre, Ostwind, mein Gefühl
Dem Schönheitsfürsten du,

Ihm, der da hundert Sklaven zählt
Wie Dschem und Kjeïchosru;

Und sagt er: »Keinen armen Freund,
Hafisen gleich, will ich,«

 So sprich: »Wohl setzt ein Sultan auch
Zu einem Bettler sich.«
 

1 Wörtlich: Wer die Seele im Ärmel hat, d.i. nach dem persischen Wörterbuche Ferhengi Schu'uri, so viel als: Wer sein Haupt, sein Leben wagt. - Wortspiel mit Asitan, Schwelle und Asitin, Ärmel.

2 D.i.: Sein rother, kleiner Mund.

 

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