Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

6.

Hoffnung heg' ich auf des Freundes
Nachsichtvolle Huld;

Sündig bin ich, doch ich hoffe,
Er vergibt die Schuld.

Ja, ich weiss es, er verzeihet
Meinem Frevelmuth.

Nicht nur schön wie Peris ist er,
Nein, auch engelgut.

Und ich weinte so, dass Jeder,
Der des Auges Nass

Fliessen sah, verwundert fragte:
»Welcher Strom ist das?«

Meinen Kopf warf ich als Spielball
Hin in deinen Gau:

Aber Gau und Spielball kannte
Wohl kein Mensch genau.

Wortlos1 ziehet deine Locke
Herzen mit sich fort:

Gegen diese holde Locke
Wagt man ja kein Wort.

Seit dein Lockenduft mich labte
Schwand ein Leben; doch

Im Geruchsinn meines Herzens
Weilt der Wohlduft noch.

Nichts ist jener Mund, und nimmer
Seh' ich seine Spur;

Und ein Haar ist jene Lende;2
Wüsst' ich, welches nur?

Wunderbar, dass meinem Auge
Nie dein Bild entschwand,

Das mit Thränen abzuwaschen
Ich doch nie entstand.

O Hafis, dein wirrer Zustand
Ist ein böser zwar:

 Gut doch ist Verwirrung, mahnet
An des Freundes Haar.
 

1 D.h.: Ohne dass man dagegen etwas einzuwenden vermöchte.

2 Ein kleiner Mund wird mit einem Nichts, einer Null verglichen, so wie die zarte Lende mit einem Haare.

 

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