Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

138.

Es entströmt ein Duft von Moschus
Dem Choten der Morgenluft;

Aber welche Luft ist diese,
Die da hauchet deinen Duft?

Mit choten'schen Moschusdüften
Weht der Abendwind mich an:

Sollte eine Karawane
Aus Chata's Gebiete nah'n?

Sein bin ich, so lang die Seele
Nicht verlässt des Körpers Haus;

Horche mir, denn meine Rede
Strömt den Duft der Treue aus.

Herz, mach' Seinem Gramespfeile
Keinen Schild aus deiner Brust;

Schliess' das Aug', denn aus den Lüften
Kommt der Strahl dir unbewusst.

 Es erkundigt deine Braue
Liebevoll sich stets um mich;

Sie, die Kaiserin, erinnert
Freundlich eines Bettlers sich.

Tief versank dein Fuss im Thone,
Weil ich gar so viel geweint:

Drob der Mann in meinem Auge1
Sich vor dir zu schämen scheint.2

Sollst, Hafis, den Wein nicht meiden,
Kehrt die Rose doch zur Flur

Im Gefolg' von hundert Gaben3
Des Genusses wegen nur.
 

1 Der Mann im Auge heisst, wie bereits bemerkt, der Augapfel.

2 Die Schaam oder das Erröthen des Mannes im Auge, der durch sein vieles Weinen den Staub der Strasse in Thon oder Koth verwandelte, sind die blutigen Thränen, und er schämt sich dir die Strasse so verdorben zu haben.

3 Durch den Ausdruck: hundert Gaben, ssad berk u newa, spielt der Dichter auf eine Art von Rosen an, die ssad berk, d.i. die hundertblättrige heisst.

 

zurück