Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

148.

Nach deiner Lippe sehnet
Das Herz sich gar so sehr,

O Herr, und deine Lippe
Was gab sie ihm bisher?

Den süssen Trank der Liebe,
Den Wein der Sehnsucht giesst

In's Herzensglas die Seele,
Bis dass es überfliesst.

Es hat die düst're Sehnsucht
Nach meines Freundes Haar

Im Netz des Missgeschickes
Ihr Wohnhaus immerdar.

Um sich ein Herz zu fangen,
Wirft Er mit schlauem Sinn

Ein Netz von zarten Veilchen
Auf eine Rose hin.1

 War es am Ende schicklich,
Dass ich die Frage that,

Was jener Herzensräuber
Für einen Namen hat?

Setzt je zu einem Freunde
Sich Jener traulich hin,

Dem Hohe oder Nied're
Beschädigen den Sinn?

O des beglückten Herzens,
Das morgen so wie heut

Der wonnigen Gesellschaft
Des Freundes sich erfreut!

Hafis, wie hoch entzückend
Ist ein gesell'ger Kreis,

Der, was zur Lust gehöret,
So ganz zu bieten weiss!
 

1 D.i.: Die Haare auf die Wange.

 

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