Aus: Buchstabe Te
8.
Fordre von mir Trunk'nem nimmer
Bundestreu' und frommen Sinn,
Da ich seit dem Schöpfungstage
Schon berühmt als Zecher bin.1
Als ich in dem Quell der Liebe
Rein zu waschen mich gestrebt,
Betete ich Sterbgebete
Über alles was da lebt.
Gib mir Wein, dass ich dir künde,
Was dem Loos ich abgelauscht,
Dir vertraue, wen ich liebe,
Wessen Wohlduft mich berauscht.
Selbst des Berges Kräfte weichen
Einer Ämse Kräften hier;2
Weinverehrer, nicht verzweifle
Du an des Erbarmens Thür!
Nur der trunkenen Narcisse
- Treffe sie kein böser Blick!
Wurde unter'm Türkisdome
Ein erfreuliches Geschick.3
Deinem Mund weih' ich die Seele:
Liess doch auf des Blickes Flur
Keine schön're Knospe prangen
Jener Schmücker der Natur.4
Deine Liebe hat Hafisen
Salomonen gleich gestellt,
Da von deiner Gunst er leider
Wind nur in den Händen hält.5
1 Rusi elest, der erste
Schöpfungstag, an welchem das Loos der Menschen für diese Welt bestimmt
wurde. Er heisst so, weil Gott, nach Erschaffung der Geschöpfe,
dieselben fragte: Elestu birebbikum, d.i. Bin ich nicht Euer Herr? (Sur.
7. V. 171). William Jones hat Rusi elest sehr richtig mit: Dies aeterni
foederis, d.i. Tag des Urvertrages übersetzt, weil an diesem
ersten Schöpfungstage nicht allein das irdische Loos der Menschen
bestimmt wurde, sondern dieselben durch ihre bejahende Antwort auf obige
Frage des Schöpfers gleichsam auch einen Vertrag mit ihm abschlossen, in
Folge des sie ihn als ihren Herrn erkannten. - Schon seit diesem Tage,
sagt Hafis, ward ich zum Zecher bestimmt, und spielt hier mit den Worten
peiman, Bund, und peimanekesch, Becherleerer, Zecher.
2 Hier, nämlich auf dem Felde der Liebe, ist eine Ameise im Stande
schwerere Lasten zu tragen als selbst der Berg.
3 D.h.: Nur dem trunkenen Auge des Geliebten wurde hienieden ein schönes
Loos, da sich alles seinem Winke fügt. - Die Narzisse ist Dichtern das
Bild des Auges.
4 Gott.
5 Wie Salomon den Wind zum Gaule hatte, eben so habe ich von deiner
Gunst nur Wind in den Händen, wodurch ich ihm ähnlich werde.
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