Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

163.

Komm, weil nun des Kaisers1 Fahne
Schon erschien, gekrönt von Sieg,

Und die Kunde der Erob'rung
Auf zu Mond und Sonne stieg.

Von dem Angesicht des Sieges
Zog den Schleier weg das Glück!

Auf den Hilferuf der Kläger
Kam das volle Recht zurück.

Freudig dreht sich nun der Himmel,
Denn es kam der Mond heran;

Glücklich fühlt sich nun die Erde,
Denn den König sieht man nah'n;

Und des Herzens und des Wissens
Karawanen sind jetzt frei

Von der Angst vor Strassenräubern,
Denn der Führer kam herbei;

 Und der Grosswezir Ägyptens,2
Trotz der neid'gen Brüder Schaar,

Stieg aus eines Brunnens Tiefe
Auf zur Mondeszinne gar.

Wo verweilt der Ketzer-Ssofi,
An Gestalt ein Antichrist?

Brenn' er denn; Mehdi3 ja nahte,
Der des Glaubens Zuflucht ist.

Ostwind, sage, was schon Alles
Über mich im Liebesgram

Durch des heissen Herzens Feuer
Und den Rauch der Seufzer kam!

König! Ich der Trennung Sclave,
Nur nach dir mich sehnend, bin

In der Lage eines Halmes,
Fiel ein Feuerbrand auf ihn.

Schlumm're nicht, denn zu dem Throne
Der Erhörung kam Hafis,

Weil er Mitternachts und Morgens
Nie zu beten unterliess.
 

1 D.i.: Schah Schedscha's, der Manssur, der Siegreiche hiess. - Dieses Ghasel sang Hafis bei Gelegenheit eines Sieges, den der genannte König über die Turcomanen erfocht.

2 D.i.: Der ägyptische Joseph, im Texte Asis, der Theure genannt, was auch der Name des jeweiligen Trägers der Grosswesirswürde am Hofe der Pharaonen war. Hier wird dadurch auf Schah Schedscha angespielt, der trotz seiner Brüder, die ihn hatten einsperren lassen, zur höchsten Würde, d.i. zum Throne gelangte.

3 Mehdi, der zwölfte und letzte Imam vom Stamme Ali's, der gegen das Ende der Tage in Begleitung von himmlischen Geistern kommen soll, um alle Völker der Erde zur Annahme des Islam's einzuladen; er wird selbst der Stellvertreter Christi in den erhabenen Verrichtungen eines Imam's sein. - Hier ist unter ihm Schah Schedscha verstanden.

 

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