Aus: Buchstabe Dal
164.
Gerechter Fürst! der Himmel schlürfe
Die Hefe deines Bechers nur;
Dein Gegner, schwarzen Herzens, blute,
Wie Tulpen bluten auf der Flur!1
Den Lustschlossgiebel deiner Höhe,
So maasslos an Erhabenheit,
Erklimme des Gedankens Pilger
Nur erst in hundertjähr'ger Zeit!
Es ist der Erde Aug' und Fackel
Dein schwarzes, holdgekraustes Haar:
Der West des Glückes webe Seelen
In seine Locken immerdar!
Du bist der Erde Aug' und Fackel,
O Vollmond der Gerechtigkeit!
Dein Glas und deinen Becher fülle
Der reinste Wein zu jeder Zeit!
Und wenn Sohre zu deinem Lobe
Erhab'ne Lieder angestimmt,
Begleite sie mit Ach und Seufzern
Der Neider, wenn er sie vernimmt!2
Es seien die neuen Himmelsteller
Und jenes Gold- und Silberbrot3
Der schlechteste von allen Bissen,
Den deines Tisches Lippe4 bot!
Die Jungfrau meines keuschen Sinnes
Ist ganz mit deinem Lob' vertraut,
Und deiner Hand sei überlassen
Die Mitgift einer solchen Braut!
Es reichte hier in diesem Liede
Dir dein Hafis den Dienstbrief dar,
Und deine Huld, die Sclaven nähret,
Bezeuge diese Schrift als wahr.
1 Auch dieses Ghasel ist zu Ehren Schah
Schedscha's gedichtet.
2 Da Sema das Vernehmen, Hören auch den Reigen bedeutet,
den Sohre, der weibliche Genius des Morgen- und Abendsterns, mit ihrer
Leier anführt, so entsteht hier ein Doppelsinn, indem dieser Satz auch
heissen kann: Beim Reigentanze derselben (Sohre) begleite sie der Neider
mit Ach und Seufzern.
3 Die neun Himmel des ptolemäischen Systems werden hier mit neun Tellern
und Sonne und Mond mit Gold- und Silberbroten verglichen.
4 D.i.: Der Rand.
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