Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

166.

Mein Leib ruht keinen Augenblick
Vor übermäss'gem Schmerz;

Durch grenzenlosen Kummer ist
Ganz abgenützt mein Herz.

Wenn aus dem Herzen in den Kopf
Mein Sehnsuchtsrauch sich schwingt,

Geschieht's, dass aus den Augen mir
Der Thau des Grames sinkt.

Auf meine gelbe Wange kann
Nicht schau'n mein Augenpaar:

Aus diesem Grund' bemalt es sie
Mit Herzblut immerdar;

Sieht Jemand, der mir übel will,
Mir dann in's Angesicht,

So zeigt sich meine Wange ihm
Von gelber Farbe nicht.1

 Die schlimme Zeit, wo immer nur
Sie etwas Böses schaut,

Da streicht sie's in das Auge mir,
Als wär' ich eine Braut;2

Und diese Zeit, sie raubte mir
Das was mein eigen war:

Nur Liebe nicht zum Seelenfreund,
Denn sie wankt nimmerdar.

Wie soll mein Auge weinen nicht,
Wie klagen nicht das Herz,

Nicht die Geduld verloren geh'n,
Sich mehren nicht der Schmerz?

Das Loos, als meine Freuden es
Geschaut, da zählt' es sie;

Doch jetzt, wo es mir Gram nur schafft,
Jetzt misst es, ach, sie nie!

Da meiner überdrüssig ward
Den ich geliebt als Freund,

Wie sollte meines Leibes denn
Erbarmen sich der Feind?

Und klag' ich nicht, so sagen sie:
»Bedürftig ist er nicht.«

Und klage ich, so sagen sie:
»Geschwätz ist was er spricht.«

Sei desshalb unbesorgt, da Gott,
Der mächtig ist und gross,

Kein Thor versperrt, wenn er zuvor
Ein and'res nicht erschloss.
 

1 Sondern von rother, da meine Augen meine Wange mit Herzblut, d.i. mit blutigen Thränen bemalen; der schadenfrohe Übelwoller kann mich daher für glücklich halten, da roth die Farbe des Glückes ist.

2 Man streicht nämlich nach einem uralten Gebrauche den morgenländischen Bräuten schwarze Augenschminke in die Augen, um deren Glanz zu erhöhen.

 

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