Aus: Buchstabe Re
1.
O Psittich, der der Liebe
Geheimnisse bespricht,1
An Zuckernahrung fehle
Es deinem Schnabel nicht!
Dein Haupt sei ewig grünend,
Dein Herz von Lust erfüllt.
Denn von des Freundes Flaume
Bist du ein schönes Bild!
Ein Wort, ein unverstand'nes,
Sprachst du zur Zecherschaar;
O mach' um Gotteswillen
Doch dieses Räthsel klar!
Begiess mit Rosenwasser
Aus deinem Glase mich,
Du Glück, das freundlich wachet.
Denn schlafbetäubt bin ich.
Was stimmte denn der Sänger
Für holde Weisen an.
Dass selbst der Fromme tanzet
Mit dem berauschten Mann?
Es schüttete der Schenke
Mohn in den Weinpocal,
Der alsbald allen Zechern
So Kopf als Turban stahl.
Kein Lebenswasser schenket
Man einem Iskender:
Durch Kraft und Gold erreichet
Man dieses nimmermehr.2
Der Menschen bare Münze
Ist Weisheit zwar; doch sie
Ist werthlos vor der Liebe
Erhab'ner Alchimie.
Komm und vernimm die Lage
Des Mann's, der schmerzlich litt:
Er theilt in wenig Worten
Viel Sinniges dir mit.
Zum Glaubensfeinde wurde
Ein Götze China's3 mir:
Herr, Herz und Glauben geb' ich
In Schutz und Obhut dir.
Mach' nicht des Rausches Räthsel
Den Nüchternen bekannt:
Verlange keine Seele
Von Bildern an der Wand.
Durch eines hohen König's4
Siegreiche Fahne nur
Prangt hoch Hafis als Banner,
Auf des Gesanges Flur.
Er zeigt sich seinen Dienern
Als hulderfüllten Herrn,
O Herr, drum halte immer
Von ihm das Unglück fern!
1 Unter dem Namen des
Psittich's spricht der Dichter sich selbst oder sein Schreibrohr an.
2 Iskender, d.i. Alexander, zog mit Chiser in's Land der Finsterniss, um
das Lebenswasser aufzusuchen; doch nur seinem Begleiter gelang der Fund.
3 D.i. Ein Knabe so schön wie ein Götzenbild China's, des Vaterlandes
der Schönheit in den Augen des Morgenländers.
4 Des bereits erwähnten Fürsten Ebu Ishak nämlich.
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