Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Re

11.

Vom Zipressenzweig ruft wieder
Der geduld'ge Sprosser nun:

»Auf dem Angesicht der Rose
Soll kein böses Auge ruh'n!«

Doch zum Dank, dass du, o Rose,
Prangst als Schönheitskaiserin.

Blicke auf verliebte Sprosser
Nicht mit eitlem Stolze hin!

Nimmer will ich mich beklagen,
Trifft dein Fernsein mich auch hart:

Denn, wer nie entfernt gewesen,
Freut sich nicht der Gegenwart.

Nur auf Huris und auf Köschke
Macht der Frömmler Hoffnung sich;

Doch die Köschke seh' in Schenken
Und im Freund die Huri ich.

 Trinke Wein beim Harfenklange,
Und verscheuche Gram und Leid;

Sagt man dir, du sollst nicht trinken,
So entgegne: »Gott verzeiht.«

Während And're sich ergötzen
Bei Gesang und frohem Mahl.

Ist der Kummer meiner Liebe
Mir ein Wonnecapital.

Warum willst du dich beklagen
Über Trennungsgram, Hafis?

Wiederseh'n enthält die Trennung,
Licht enthält die Finsterniss.
 

 

 

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