Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Schin

20.

Als Seine Ambralocke
Vom Oste ward durchwühlt,

Hat Jeder der Gebroch'nen1
Sich frisch beseelt gefühlt.

Wo weilt ein Gleichgestimmter?
Gern theilte ich ihm mit

Das was durch Seine Trennung
Mein armes Herz schon litt.

Dem Briefe, den zum Freunde
Der Morgenbote trägt,

Hab' ich das Blut des Auges
Als Siegel aufgelegt.

Aus Rosenblättern formte
Natur dein Antlitz; doch,

Sie birgt, vor dir sich schämend,
Sie in der Knospe noch.

Stets schläfst du, und die Liebe
Kennt Grenzen nimmermehr:

Darum sei Gott gepriesen,
Denn endlos ist auch er.

Der Ca'ba Reiz heischt Nachsicht
Vom Pilger der, verbrannt

Und aufgeregten Herzens,
Die Wüste durchgerannt.

Wer bringt vom Herzens-Josef
In's Haus der Trauer hier

Aus seines Kinnes Brunnen
Erwünschte Nachricht mir?2

Ich lege jene Locke
Dem Meister3 in die Hand:

Er wird das Recht mir schaffen
Das mir Sein Trug entwand.

Ich hörte was der Sprosser
Früh auf der Wiese sang:

 Es war ein Lied Hafisens
Von holdem Sinn und Klang.
 

1 D.i. Derjenigen, deren Herz die Liebe gebrochen hatte.

2 Anspielung auf die Trauer Jakob's über seinen von den Brüdern in den Brunnen gestürzten Sohn Joseph.

3 D.i. Dem Wesire Kawameddin.

 

zurück