Aus: Buchstabe Mim
1.
Würde an des Holden Seite
Mir ein Platz gewährt vom Loose,
Tränk' ich aus des Glückes Becher,
Pflückte des Genusses Rose.
Bitt'rer Wein - der Ssofis Feuer -
Macht für meinen Bau1 mich beben:
Küsse mich, und nimm, o Schenke,
Lieber du mein süsses Leben!
Toll noch werd' ich, denn ich spreche
Nachts bis Früh vom Liebeskummer
Mit dem Monde nur, und sehe
Nur Peris in meinem Schlummer.
Zucker gab dein Mund dem Trunk'nen,
Wein dein Aug' dem Wirth des Weines:
Ich allein, der stets entbehre,
Hab' von Beiden leider Keines!
Aus dem Bett in's Köschk der Huris
Werd' ich in der Sterbnacht gehen,
Willst du in der Todesstunde
Mir am Pfühl als Kerze stehen.
Jedes windgetrag'ne Stäubchen
Ist ein Ausfluss deiner Güte:
Denke d'rum auch deines Knechtes,
Der sich lang im Dienste mühte!
Nicht ein Jeder, der da dichtet
Spricht in Worten, die gefallen:
Ich nur fing das selt'ne Repphuhn,2
Denn mein Falk' hat flinke Krallen.
Geh' und frage China's Maler,
Glaubst du nicht was ich hier sage,
Ob Mani nicht nach den Mustern
Meines Moschuspinsels frage?
»Guten Morgen!« rief der Sprosser;
Schenke! Auf! Wo weilst du wieder?
Denn es brausen noch von gestern
Mir im Kopf die Harfenlieder.
Hör' von mir, nicht von Hafisen
Was man Rausch und Liebe nenne,
Der ich Nachts bei Mond und Plejas
Gläser nur und Becher kenne.
Treue übt und Wahrheit redet
Wohl nicht Jedermann im Leben:
Sclavisch bin ich dem Assafe
Rechts- und Glaubensruhm' ergeben.4
1 D.i. Für mein Leben.
2 Der Dichtkunst nämlich.
3 Mani, der Stifter der Secte der Manichäer, der die Göttlichkeit seiner
Sendung durch Werke der der Dichtkunst verwandten Malerkunst begründete,
die er in seinem heiligen, Erscheng genannten Gemäldebuche sammelte.
4 Dschelal ül-hakk wed-din, d.i. Ruhm des Rechtes und des Glaubens,
ist der Name eines Wesirs (Assaf's) und Gönners unseres Dichters.
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