Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

18.

Es kam mein Freund in's Maghen-Kloster1
- In seiner Hand war ein Pocal -

Von Wein berauscht, so wie die Zecher
Von seiner trunk'nen Augen2 Strahl;

Am Hufe seines Rosses glänzte
Ein neuer Mond3 im hellsten Schein,

Und selbst die hohe Pinje schrumpfte
Vor seinem schlanken Wuchse ein.

Was sag' ich denn, ich sei bei Sinnen,
Wenn ich's im Grunde doch nicht bin?

Wie sag' ich denn, ich schau' ihn nimmer?
Blickt doch mein Auge nur auf ihn.

Der Freunde Herzenslicht verlöschte,4
Erhob er sich vom Sitz;5 doch jetzt

Erhebt ein Schrei6 sich der Verliebten,
Wenn er sich wieder niedersetzt.

 Der Bisam hauchet süsse Düfte,
Denn er berührte ja sein Lockenhaar;

Die Brauenschminke wird zum Schützen,
Denn sie umzog sein Brauenpaar.7

O kehre heim! dann kehret wieder
Das Leben, das Hafisen schwand,

Wenn gleich der Pfeil nicht wiederkehret,
Der einem Bogen ward entsandt.
 

1 So heisst bei Hafis häufig die Schenke.

2 Im Originale: Narzissen, was Dichtern gleichbedeutend mit Augen ist.

3 Des Hufes Eisen.

4 Wörtlich: setzte sich nieder, was im Persischen, in Bezug auf das Licht gebraucht, so viel heisst als: es verlöschte.

5 Wenn er Miene machte fortzugehen.

6 Ein Schrei der Freude nämlich.

7 D.h.: Den Formen seiner Brauen folgend, zeichnet die Augenbrauenschminke einen Bogen und wird dadurch zum Schützen.

 

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