Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

21.

Wird der Fussstaub meines Liebling's
Seine Hand mir nicht entzieh'n,

Male ich die Schrift des Staubes
Auf das Brett des Blickes hin.1

Käme, fordernd meine Seele,
Ein Befehl2 von Ihm mir zu,

Übergäbe, gleich der Kerze,
Ihm die Seele ich im Nu.

Scheint dem Freund mein Herz ein falsches,
Das nicht Probe hält beim Kauf,

Zähle ich aus meinem Auge
Silber das cursirt ihm auf.

Schüttle nicht den Saum des Kleides,
Nah' ich, Sohn des Staubes, dir:

Denn kein Wind kann, nach dem Tode,
Meinen Staub verweh'n von hier.

Untersinkend, hofft' ich immer
Mich umschlinge deine Hand:

Doch die Welle meiner Thräne
Bringt vermuthlich mich an's Land.

Deine schwarze Doppellocke
Die Verliebter Leidenschaft

Kraft und Festigkeit gegeben,
Nahm mir Festigkeit und Kraft.

Sei mir treu am heut'gen Tage,
Und gedenke jener Nacht

Die voll Gram's ich im Gebete
Werde haben zugebracht.

Bringe mir von jenem Weine
Nur ein Düftchen, holde Luft!

Von des Rausches Folgen heilet
Mich dann sicher jener Duft.

Mit dem Lobe deiner Locke
Stets beschäftigt ist mein Wort,

Und tatar'sche Moschusdüfte
Haucht es d'rum auch immerfort.

Weil Sein Mund, Hafis, mir theuer
Wie die eig'ne Seele ist,

Gibt mir der Moment das Leben
Wo mein Mund die Seele küsst.3
 

1 D.h. Werde ich so glücklich sein, dass der Fussstaub meines Geliebten mich berühre, dann werde ich ihn bis aufs Kleinste meinen Augen einprägen. - Chatti ghubari, d.i. Staubschrift, heisst die kleinste Schriftart, so fein wie Staub (ghubar).

2 Da das Wort Perwane, Befehl, auch Falter bedeutet, so bringt es der Dichter hier mit der Kerze, der mythischen Geliebten des Falters, in Verbindung.

3 Doppelsinn; nämlich: Wo mein Mund Ihn, der mir theuer wie die eigne Seele, küsst; oder: wo mir die Seele auf den Mund tritt, ihn küsst, d.i. wo ich (aus Lust Ihn zu küssen) sterbe.

 

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