Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

20.

Geh' und sorge um dich selber,
Prediger! was sprichst du? sprich!

Zwar mein Herz hat sich verwirret,
Aber was beirrt das dich?

Des Geliebten zarte Mitte
Schuf aus Nichts des Schöpfers Hand,

Als ein Räthsel, das zu lösen
Kein Geschöpf sich unterstand.

Bettler Deines Dorfes tragen
Die acht Himmel1 in der Brust;

Sclaven deiner Bande leben
Frei von beider Welten Lust.

Zwar mich gab der Rausch der Liebe
Der Verwüstung Preis; allein

Meines Lebens Bau erstehet
Nur durch dies Verwüstetsein.

Herz, bejamm're nicht die Härte
Deines Freundes, denn der Freund

Hat dir dieses nur beschieden,
Was denn auch gerecht erscheint:

Bis sein Mund mir meinen Gaumen
Nicht berührt, gleich einem Rohr,2

Ist der Rath der ganzen Erde
Eitel Wind nur meinem Ohr.

Geh', Hafis, lies keine Mährchen,
Keine Zauberformeln mehr:

Diese Mährchen, diese Formeln
Kenn' ich leider allzusehr.
 

1 Nach der muhammedanischen Glaubenslehre gibt es acht Himmel oder Paradiese und nur sieben Höllen, um anzudeuten, dass Gottes Milde grösser sei als seine Strenge.

2 Das hier gemeinte Rohr (Nei) ist die Flöte, deren sich die Mewlewi-Derwische zur Begleitung ihrer religiösen Tänze bedienen und die nach der Art des Clarinett's geblasen wird.

 

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