Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

36.

Ich weihe mich dem Dienst der Schenke
Bereits seit langer Zeit,

Und handle wie ein Reicher handelt,
Gehüllt in's Armuthskleid.

Es sog der Wahrheit edle Düfte
Mein Prediger nicht ein;

Horch! In's Gesicht will ich's ihm sagen,
Doch kein Verläumder sein.

Das Repphuhn mit dem holden Gange
Im Liebesnetz zu fah'n,

Erwarte ich im Hinterhalte
Der günst'gen Stunde Nah'n,

Und eile, gleich dem Ost, zum Freunde
Hin über Stock und Stein,

Und Königskraut und Rose bitt' ich
Behilflich mir zu sein.

 Ein Netz ist meines Liebling's Locke,
Sein Blick ein Unglückspfeil:

Vergiss nicht, Herz, was ich ermahnend
Hier spreche dir zum Heil.

Es trägt die Erde deines Gaues
Mich künftighin nicht mehr:

Hold warst du, Götze, mir; nun mach' ich
Die Bürde minder schwer.

Verhüll' das Aug' das Böses schauet,
Du, stets zur Huld bereit,

Bei dem was ich mit Frechheit übe
In stiller Einsamkeit!

Ich sollte - Gott bewahr's! - die Rechnung
Des jüngsten Tag's nicht scheu'n?

Das Loos will morgen ich befragen,
Doch heut' will ich mich freu'n.

Ein Amen ruft der Geist, der treue,1
Der Gott zur Rechten steht,

 Wenn für des Reich's und Volkes Kaiser
Ich flehe im Gebet.

O Fürst! Das Höchste zu erreichen
Hoff' ich nur aus dem Grund

Weil, o Erhab'ner, deine Schwelle
Zu küssen wünscht mein Mund.

Hafis benennt mich dieses Kränzchen,
Und Säufer jener Kreis;

Sieh wie ich durch ein freches Wesen
Das Volk zu täuschen weiss!
 

1 Der treue Geist ist einer der vielen Beinamen des Engels Gabriel.

 

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