Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

38.

Komm' ich abermals vorüber
An dem wüsten Maghenhaus1

Spiel' ich den Ertrag der Kutte
Und des Teppich's eilends aus.

Klopf' ich mit der Reue Thorring,
Frömmlern ähnlich, heute an,

Wird vom Schenkenwächter morgen
Mir das Thor nicht aufgethan.

Wäre doch die Flügelfreiheit
Eines Falters mir verlieh'n!

Nur nach jener Wange Lichte
Eilte ich im Fluge hin.

Lässt du mich, der Harfe ähnlich,
Nicht im Schosse ruhen dir,

O so schmeichle, wie der Flöte,
Mit dem Hauch der Lippen mir!

 Umgang selbst mit Huris meid' ich,
Denn ich fehlte wahrlich sehr2

Hätte ich, bei deinem Bilde,
Noch mit Anderen Verkehr.

Keinem Menschen will ich klagen
Was mein blutend' Herz erfuhr,

Ist mein einziger Vertrauter
Deines Grames Schwert ja nur.

Das Geheimniss meiner Trauer
Hätte gern die Brust bewahrt;

Doch das nassbesäumte Auge
Hat es nun geoffenbart.

Aus des Staubes Käfich schwang' ich
In die Luft, wie Vögel, mich:

Hoffend dass der Königsfalke
Mich zur Beute mache sich.

Würde auf Hafisen's Leibe
Jedes Haar zum Haupt; fürwahr

 Alle legt' ich dir zu Füssen,
Wie dein eig'nes Lockenhaar.
 

1 D.i. An der Schenke.

2 Wörtlich: Es wäre ein Quell des Fehlers, ein wahrer Fehler, ein grosses Unrecht, das ich beginge. - Der Dichter gebraucht hier die beiden Worte Ain und Kussur, die Quell und Fehler heissen, da er so eben von Huris gesprochen, die Ain oder In, d.i. schwarzäugig sind, und in Kussur, d.i. Köschken wohnen.

 

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