Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

58.

Schürzte auch mir Seine Locke
Einen Knoten in mein Thun,

Hoff' ich doch, durch Seine Gnade,
Eine frohe Lösung nun.

Halte meiner Wangen Röthe
Für der Freude Zeichen nicht:

Denn, wie durch ein Glas, so schimmert
Herzblut mir durch's Angesicht.

Durch des Sängers Weisen werde
Aller Fassung ich beraubt;

Ach, mir ist in diese Weisen
Einzustimmen nicht erlaubt!1

Vor das Heiligthum des Herzens
Stell' ich Nachts mich wachend hin,

Einlass in dies Zelt gewährend
Dem Gedanken nur an Ihn;

 Und es schlief durch Seinen Zauber
Meines Glückes Auge ein;

Doch das Lüftchen, das mich gnädig
Wieder weckt, wo mag es sein?

Jener Zauberdichter bin ich,
Dem aus seinem Schreibe-Rohr,

Durch die Wundermacht des Wortes,
Zucker quillt und Kand hervor.

Ich betrat der Liebe Wüste,
Hoffend hundertfält'ges Glück;

Führer des verirrten Herzens,
Lass mich ja nicht hier zurück!

Niemals kann ich Ihn erblicken:
Gleich dem Winde eilt Er fort!

D'rum, wem sage ich, er sage
Meinem Freund ein holdes Wort?

»Alles trägt - so sprach Er gestern -
An Hafis der Falschheit Spur.«

 Sprich, mit wem hab' ich zu schaffen
Als mit deinem Thürstaub nur?
 

1 Was aber auch heissen kann: "Ach, mir ist nicht erlaubt hinter diesen Vorhang (wo der geliebte Sänger weilt) zu gehen", denn Perde, Tonweise, heisst auch Vorhang.

 

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