Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

24.

Erblühet ist die rothe Rose,
Der Sprosser scheint berauscht zu sein;

Die Ihr den Wein verehrt, o Ssofis!
Man lädt zur Trunkenheit Euch ein.

Der Reue Bau, von dem's geschienen,
Dass er so fest wie Marmor sei,

O sieh, ihn schlug auf selt'ne Weise
Ein gläserner Pocal entzwei!

Nun bringe mir den Saft der Rebe,
Denn gleich ist an des Hochmuth's Thron

Des Pfortenwächters, des Monarchen,
Des Nüchternen und Trunk'nen Lohn.

Verlassen müssen endlich Alle
Dies Gasthaus mit dem Doppelthor,

Mag niedrig sein des Lebens Halle,1
Und mag sie ragen hoch empor.

 Die Freude ist ein Ziel, das nimmer
Sich ohne Leid erreichen lässt:

Ja, an den Spruch des Unglück's knüpfte
Den ew'gen Herrschaftsbund man fest.2

Nicht kümm're dich um Tod und Leben,
Und wahre dir den heiter'n Sinn:

Denn das Vollendetste hienieden
Rafft endlich doch der Tod dahin.

Die Pracht Assaf's, der Gaul des Windes,
Der Vögelsprache Wissenschaft,3

Der Wind hat sie verweht; sie haben
Dem Eigner Nutzen nicht geschafft.

Entfern' dich nicht zu rasch vom Pfade.
Und spiegle an dem Pfeile dich:

Ein Weilchen schwirrt er in den Lüften,
Und setzt dann auf die Erde sich.

Hafis, die Zunge deines Rohres,
Wie gibt dafür den Dank sie kund,

 Dass man die Worte ihrer Lieder
Geschäftig trägt von Mund zu Mund?
 

1 In der Bulaker Ausgabe steht hier irrig das nicht hieher gehörige Bindewort we, und, zwischen den Worten Thak, Halle und Ma'ischet, Leben: auch Sudi hat es im Text, während er im Commentar richtig Ma'ischet thak we rewaki hat.

2 D.h.: Die Menschen sind seit ihrer Erschaffung zum Unglücke bestimmt. - Der mit Herrschaftsbund übersetzte Ausdruck: Ahdi elest, wörtlich: der Bund: Bin ich nicht? heisst, wie bereits erwähnt wurde, der am ersten Schöpfungstage zwischen Gott und den Menschen geschlossene Bund oder Vertrag, kraft dessen Letztere, ihn als ihren Herrn und Gott anerkennend, auf seine Frage: Elestu birrebbikum, d.i.: Bin ich nicht Euer Herr? Bela, d.i.: Ja, erwiderten und sich also dazu verstanden, seine Diener und er ihr Herr zu sein; da nun Bela nicht nur Ja, sondern auch Unglück heisst, so spielt Hafis hier mit dem Gleichlaute dieses zwei verschiedene Bedeutungen habenden Wortes und meint, dass, als die Menschen auf obige Frage Gottes Ja antworteten, sie sich zugleich zu allem über sie zu ergehenden Unglücke verstanden.

3 Salomon, der den Ostwind zum Gaule hatte, verstand auch die Sprache der Vögel.

 

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