Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Mim

76.

Obgleich ich alt geworden bin
Und herzenskrank und schwach,

So ward ich doch stets wieder jung
Sobald ich von dir sprach.

Gottlob, dass noch ein jedes Ding
Das ich von Gott begehrt,

Wenn ernstlich ich darnach gestrebt,
Mir immer ward gewährt!

Am Heerweg1 ew'gen Glückes stieg
Ich auf des Glückes Thron,

Und, wie die Freunde es gewünscht,
Mit einem Weinglas schon.

Geniesse, junger Rosenbaum,
Des Glückes Frucht, denn ich

Erhob zur Nachtigall der Welt
In deinem Schatten mich!

 Bekannt war von der Welt mir einst
Kein Buchstab' und kein Laut:

In deines Grames Schule erst
Ward ich damit vertraut;

Und seit dein Schelmenblick mich traf,
Seit jener frohen Zeit,

Ward ich von jeder Schelmerei
Der künft'gen Zeit befreit.

Seit jenem Tag erschloss sich mir
Des Sinnes hohes Thor,

An dem des Wirthes Wohnhaus ich
Zum Aufenthalt erkor.

Das Schicksal weiset unbedingt
Mich an die Schenke an,

So sehr dagegen und dafür
Ich auch bisher gethan.

Mich macht' nicht Jahr und Monat alt,
Der falsche Freund allein

 Der, gleich dem Leben, mir entflieht,
Gab mir des Alters Schein.

Die Huld des Herrn gab gestern Nacht
Die frohe Kunde mir:

Hafis, bereue! für der Schuld
Vergebung bürg' ich dir.
 

1 Der Heerweg heisst im Persischen der Königsweg.

 

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