Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

28.

Ein Weggefährte, der bei diesen Zeiten
Vom Treubruch wäre rein,

Kann, nebst der Flasche, voll von laut'rem Weine,
Das Liederbuch nur sein.

Entkleidet1 wandle, denn der Pass des Heiles
Ist gar so eng und schmal;

Das Glas ergreife, denn das theure Leben
Kehrt nicht zum zweiten Mal.

Nicht ich nur bin es, den auf dieser Erde
Unthätigkeit betrübt;

Auch die Gelehrten trauern, dass ihr Wissen
Sich nicht in Thaten übt.

Das Auge des Verstand's, auf diesem Pfade2,
Wo Zwist nur herrscht und Streit,

Sieht in der Welt und ihrem eitlen Treiben
Nur Unbeständigkeit.

Gar viele Hoffnung nährte ich im Herzen,
Dir liebend einst zu nah'n:

Allein der Tod, der Hoffnung Wegelag'rer,
Droht auf der Lebensbahn.

Ergreif' die Locke eines Mondgesichtes,
Und sage nimmermehr,

Es stamme Glück und Unglück von der Venus
Und vom Saturn nur her.3

Nie trifft man ihn, wie auch die Zeit sich wende,
Im Stand der Nüchternheit,

So dass es scheinet, mein Hafis sei trunken
Vom Wein der Ewigkeit.
 

1 D.i.: Entkleidet von aller Anhänglichkeit an die Welt.

2 D.h.: In diesem Leben.

3 Venus ist das Gestirn des Glückes, durch welches hier auf das Mondgesicht, so wie durch Saturn, das Gestirn des Unglückes, auf die schwarzen Haare des Geliebten angespielt wird.

 

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