Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

5.

Der Aloëduft kommt näher;
Mein Sehnen wächst durch ihn:

Wer bringet zu Suaden1
Nun meine Grüsse hin?

Von Freunden Kunde hören
Ist Heil, ist Seligkeit:

Die theure Seele werde
Der Freundin Staub geweiht!

Komm Abends zu den Fremden,
Und sieh der Thränen Nass

Gleich einem Weine glänzen
In einem Syrer-Glas2

Und sehnt' ich mich nach Eden,
Und gäb' dem Treubruch Raum,

Erquicke mich kein Schlummer,
Erfreue mich kein Traum!

Und singt des Glückes Vogel3
Im Dornenstrauche schon,

So schweig' in Ihrem Garten
Der Taube Klageton.

Der Trennungstag der Freundin
Wird bald zu Ende geh'n:

Ich kann vom Waldeshügel
Die Zelte schon erspäh'n.

O Lust wenn, dich begrüssend,
Ich zu dir sagen kann:

»Du bist mit Glück gewandert,
Und kamst mit Glück auch an!«

Ich hoffe dich in Baldem
Erfreut zu schauen hier:

Du, froh mir zu gebieten,
Und ich, zu dienen dir.

Nimm, bin ich gleich nicht würdig
Den Königen zu nah'n,

 Des frommen Werkes wegen
Mich doch als Sclaven an!

Ich ward, durch deine Trennung,
Zum schwachen Neumondslicht,

Und sah doch, gleich dem Monde,
Nie ganz dein Angesicht.

Hell glänzt, wie Perlenschnüre,
Dein reines Lied, Hafis,

Und übertrifft an Anmuth
Die Lieder Nisami's.4
 

1 Suad, der arabische Name, der Geliebte des Dichters. - Dies Ghasel ist halb arabisch, halb persisch.

2 Die syrischen Gläser, namentlich jene, die in Halep zu Markte gebracht werden, sind berühmt im Oriente. - Das Auge wird hier einer solchen Flasche und die blutige Thräne dem (rothen) Weine verglichen.

3 Wenn die Araber auf ihrem Wege einen Vogel auf einem Strauche oder Baume erblicken, so pflegen sie ihn aufzuscheuchen: nimmt er seinen Flug rechts, so heisst er ihnen ein Vogel des Glückes, der guten Vorbedeutung; das Gegentheil ist der Fall, wenn er links auffliegt.

4 Nisami, einer der grössten romantisch-epischen Dichter Persiens, der unter der Regierung des Seldschukiiden Thogrul Ben Arslan im J. 576 (1180) starb.

 

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