Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

7.

Schrieb mir jener Zibethflaum'ge
Nur ein Briefchen freundlich hold,

Hätte mir das Blatt des Lebens
Nicht der Himmel zugerollt.1

Hätte doch - obgleich die Trennung
Des Vereines Früchte beut -

Nie der Ackersmann der Welten2
Solchen Samen ausgestreut!

Deinem Schreibrohr - nimmer nütze
Sich sein Zuckerzünglein ab! -

Hast du Neigung nie bewiesen,
Weil es sonst mir Antwort gab.

Schuf nicht nach dem Bild der Liebe
Dich des Körpers Architekt,

Lägen liebende Atome
Nicht im Menschenthon versteckt.

Frömmler, du versprichst nur immer,
Doch ich habe ganz gewiss

In der Freundin eine Huri,
Und im Haus ein Paradies.

Der Erbarmung seines Schöpfers
Ist derjenige gewiss,

Dessen Freundin eine Huri,
Dessen Haus ein Paradies.

Gib nicht für Irem's Gefilde
Und den Hochmuth des Schedad

Volle Flaschen, süsse Lippen,
Und die Lippe einer Saat.3

Meine Thorheit und dein Wissen
Scheint dem Himmel gleich an Werth:

Was ist dort wohl schön, was hässlich
Wo der Sehkraft man entbehrt?

Nicht nur ich schuf zur Pagode
Meines Herzens Ca'ba um;

 Nein, auf jedem Schritt begegnet
Kirche man und Heiligthum.

Auf der harten Bank der Liebe
Ruht man wohl nicht sehr bequem:

Aber fehlt ein gold'nes Kissen,
Sei ein Ziegel uns genehm.

Macht die nied're Welt noch lange,
Kluges Herz, dich so betrübt?

Zu beklagen ist der Schöne
Wenn den Hässlichen er liebt.

Das Beflecktsein einer Kutte4
Ist der Untergang der Welt:

Wo verweilt der weise Wand'rer
Der sein Inn'res rein erhält?

Sprich warum die Hand Hafisens
Deine Locke fahren liess?

Wenn's das Schicksal so beschlossen,
Konnt' er And'res thun als dies?
 

1 D.h. Dann hätte mich das Schicksal, durch die Trennung von ihm, nicht dem Tode preisgegeben.

2 D.i. Gott.

3 Der übermüthige König Schidad aus dem Riesenstamme Aad hatte, gleichsam um das Paradies zu verhöhnen, den herrlichen Garten Irem anlegen lassen, den aber Gott der Herr, zur Strafe seines Übermuths, vertilgte. - Die Lippe einer Saat ist ihre Umgrenzung, ihr Rand.

4 D.h. Die Scheinheiligkeit, die Gleissnerei der Ssofis.

 

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