Aus: Buchstabe Je
11.
Der du des Flaumes Moschusschleier
Warfst auf das holde Mondsgesicht!
Du übtest Gnade nur: denn Schatten
Warfst hin du auf der Sonne Licht.
Was wohl die Farbe und das Wasser
Auf deiner Wange noch mir thut,
Da nur erst Skizzen deines Bildes
Du hinwarfst auf die Wasserfluth?1
Glück auf! Du rangst den Ball der Schönheit
Den Schönen dieser Erde ab;
Lass Kejchosrew's Pocal dir reichen:
Warfst nieder ja den Efrasjab.2
Du legtest in das Herz, das wüste,
Mir deiner eig'nen Liebe Schatz;
Hold warfst du der Erbarmung Schatten
Auf dieses Winkels öden Platz.
Mit deiner Wange Licht spielt Jeder
Ein Liebesspiel nach eig'nem Sinn,
D'rum warfst du nun den armen Falter
In ängstliche Verwirrung hin.
Gestatte mir dich anzubeten,
Bin ich auch wüst vom Rausche nun:
Du warfst mich ja in dieses Treiben,
In Hoffnung Löbliches zu thun.
Nur Einmal hobst in deiner Kammer
Den Schleier von der Wange du,
Und warfst die Hülle der Beschämung
Den Huris und den Peris zu.
Du stahlst den Wachenden den Schlummer
Und warfst, im irrigen Verdacht,
Die Schuld davon auf jene Heere,
Die wandernd schreiten durch die Nacht.3
Durch die Narcisse, schlau und trunken,
Und den berauschenden Rubin,
Warfst du Hafis, den stillen Klausner,
Der Weineslust zum Raube hin,
Und warfst ihm um den Hals, als Kette,
Das Lockenhaar, zum Herzensfang,
Wie ein Monarch - ein Herr der Nacken -
Zu thun gewohnt ist mit dem Strang.4
O Schah Jahja, des Glaubens Hilfe,5
Der du durch deines Schwertes Gluth,
Des Reiches Feinde, gleich dem Feuer,
Verlöschend warfst in eine Fluth;
O Fürst, so mächtig wie Darius,
Du, der der Sonne Kronenzier,
Auf dass sie sich erhöhet fühle,
Tief in den Staub warfst deiner Thür!
O trinke aus dem Wunderglase,
Denn du, auf Dschem's erhab'nem Thron,
Warfst ja dem Liebchen deiner Wünsche
Den Schleier vom Gesichte schon.
Man fürchte deines Schwertes Wasser,6
Da du dadurch des Durstes Gluth
In Löwen wecktest und die Helden
Hin warfest in des Wassers Fluth!7
1 D.h. Was werde ich von deiner
schöngefärbten und wie Wasser glänzenden Wange noch alles zu ertragen
haben, da du erst nur die Skizze deiner Schönheit auf deinem gleich
Wasser strahlenden Antlitze hingeworfen? D.i. was werde ich wohl alles
zu leiden haben, wenn deine, jetzt nur noch keimenden Reize sich
vollends entfalten?
2 Unter Kejchosrew's Becher ist das oft erwähnte, die Welt in nuce
zeigende Glas Dschemschid's zu verstehen, dessen Besitz auch jenem
altpersischen Könige zugeschrieben wird. - Wie Kejchosrew den Helden
Efrasiab aus Persien vertrieb und besiegte, eben so besiegest du und
unterwarfst dir alle Schönen dieser Erde.
3 D.i. Auf die Träume.
4 D.h. Wie die Monarchen thun, die wegen ihres Rechtes über Leben und
Tod Malikür-Rikab, d.i. Besitzer oder Herren der Nacken
(ihrer Unterthanen) heissen, wenn sie einen Verbrecher erwürgen lassen
wollen.
5 Schah Jahja, der bereits erwähnte König aus der Dynastie der
Musafferiden, führte den Beinamen Nussreted-din, d.i. Hilfe des
Glaubens.
6 Das Wasser des Schwertes ist sein Glanz.
7 D.h. Durch dein wie Wasser glänzendes Schwert, wodurch sie gleichsam
in das Wasser deines Schwertes stürzten.
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