Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

12.

O du, auf dessen Angesichte
Der Herrschaft Licht sich offenbart,

Und dessen Geist die Weisheit Gottes
Bezeugt auf hundertfache Art!

Dein Schreibrohr - möge Gott es segnen! -
Erschloss dem Glaubensreiche schnell,

Mit einem einz'gen schwarzen Puncte,
Verhundertfacht den Lebensquell.1

Auf einen Ahriman fällt nimmer
Des grössten Namens lichter Strahl;2

Dein ist die Herrschaft, dein das Siegel:
D'rum ord'ne an nach eig'ner Wahl!

Wer einen Zweifel wagt zu setzen
In Salomon's erhab'ne Macht,

Der wird vom Vogel wie vom Fische
Mit seiner Weisheit ausgelacht;

Und setzt von Zeit zu Zeit der Falke
Auf's Haupt sich eine Krone auch,

So weiss doch nur des Kafes Vogel,
Was Herrchersitte sei und Brauch.3

Ein Schwert das von des Himmels Segen
Das Wasser seines Stahl's erhält,

Setzt, ohne Hilfe eines Heeres,
Allein sich in Besitz der Welt.

Es schreibt dein Rohr mit schönen Lettern
- Auf Freund und Gegner nimmt's Bedacht -

Die Formel die das Leben mehret,
Den Zauberspruch, der's schwinden macht.4

Der du im Urstoff eine Schöpfung
Der Alchimie der Ehre bist,

Und dessen Glück vor allen Stürmen
Des Missgeschick's gesichert ist!

Fällt nur ein Schimmer deines Schwertes
Auf Schachte und auf Minen hin,

 So färbt er mit des Strohes Farbe
Den hochrothwangigen Rubin.5

Mein Glas ist leer von Wein, o Kaiser,
Ist's durch ein Menschenleben schon!

Sieh, dies behaupte ich, der Diener,
Und Zeuge ist der Vogt davon.

Ich weiss gewiss, dein Herz erbarmet
Der armen Nachtdurchwacher sich,

Im Falle du um meine Lage
Beim Morgenwind erkundigst dich.

Bring' hurtig Wasser uns, o Schenke,
Doch soll's vom Weinhausquelle sein,

Auf dass vom eitlen Klosterstolze
Wir uns die Kutten waschen rein.

Seitdem in der Familie Adam's
Die Herrschaft ihr Beginnen fand,

Hat Keiner noch, wie du, hienieden
Dies Wissen6 nach Gebühr erkannt.

Dir thut der Himmel nichts zu Leide,
Du bist den Engeln gleichgestellt;

Die Welt ist frei von Grausamkeiten,
Seit du die Zuflucht bist der Welt.

Wenn schon der Blitzstrahl der Empörung
Selbst Adam traf, war er gleich rein,7

Ziemt's uns so minder zu behaupten,
Wir könnten frei von Sünden sein.

Hafis, mit Achtung spricht zu Zeiten
Der Kaiser deinen Namen aus:

D'rum schmolle nicht mit dem Geschicke,
Und kehre reuevoll nach Haus!

O Zufluchtsort der Unterthanen,
O edler Gabenspender du,

Sei diesem armen Manne gnädig,
Denn schon viel Unglück stiess ihm zu!
 

1 D.h. Ein einziger schwarzer Tropfen Dinte aus deinem Schreibrohre, nämlich irgend eine von dir unterfertigte Verordnung wirkte in hundertfacher Weise belebend auf das Reich des Glaubens.

2 D.h. Die Macht die dem Siegel Salomon's, worauf der Name Gottes eingegraben war, inne wohnte, hat keine anhaltende Wirkung in den Händen Ahriman's, der ihn dem Salomon nur auf kurze Zeit hatte entwenden können. Eine Anspielung auf die Turkomanen, die den König für eine kurze Zeit vertrieben hatten.

3 D.h. Wenn auch der zum Fange abgerichtete Falke zuweilen zu diesem Behufe eine Mütze (Krone) aufsetzt, so kennt doch nur ein Simurgh, der in majestätischer Einsamkeit auf dem Berge Kaf thront, welche Eigenschaften eigentlich zu einem Herrscher gehören.

4 D.h. Aus deinem Schreibrohre fliessen Verordnungen, die bald deine Getreuen beleben, bald deinen Feinden den Untergang bereiten. - Nachdem Hafis hier den Schah Jahja Nussreted-din als einen Herrn der Feder gelobt, geht er in dessen Lob als eines Herrn des Schwertes über.

5 D.h. So macht der Schimmer deines Schwertes, das wie die Sonne auf die Edelsteine im Innern der Erde einwirkt, den rothen Rubin aus Furcht erbleichen.

6 Die Wissenschaft und die Kunst des Herrschers nämlich.

7 D.h. Wenn schon Adam, der den Beinamen Ssafi-üllah, d.i. der Reine Gottes führt, plötzlich der Sünde erlag.

 

zurück