Aus: Buchstabe Je
19.
Horch auf diese kluge Lehre,
Willst du dich von Gram befrei'n:
»Blut verschlingst du, wenn du wünschest
Was dir nicht bestimmt mag sein.
In gemeine Töpfererde
Wirst verwandelt du zuletzt:
D'rum den Krug mit Wein zu füllen
Sei dein stetes Sinnen jetzt.
Bist ein Mensch du der sich sehnet
Nach des Paradieses Flur,
So vergnüge dich an Menschen,
Die von Peris stammen, nur.
Auf der Würden Platz zu sitzen
Ist für dich Unmöglichkeit,
Wenn du früher nicht die Mittel
Dieser Würden hieltst bereit.
Ist dein Inn'res schon empfänglich
Für des Segens Schrift? O nein!
Mache von zerstreuten Bildern
Früher seine Blätter rein.«
O Chosrew süsslipp'ger Schönen,
Vielfach lohnet dich das Glück,
Wirfst du auf Ferhad, den Armen,
Freundlich einen Blick zurück!
Überläss'st du Gottes Gnade
All' dein Handeln, o Hafis,
Schafft das Loos, das gottverlieh'ne
Viele Wonne dir gewiss.
Bei Dschelaleddin, dem Meister,
Tritt in Dienst, o Morgenluft,
Füllst die Welt dann mit Jasminen -
Und mit freier Lilien Duft.1
1 D.h. Verbreitest dann in der Welt die
Kunde seiner edlen Eigenschaften. Die Lilie ist dem Orientalen
das Sinnbild der Freiheit unter den Blumen, wie die Cypresse unter den
Bäumen; deshalb heisst sie die freie. - Dschelaleddin war
Finanzminister und Kämmerling des Königs Manssur. Als des letzteren Sohn
die Statthalterschaft einer Provinz übernahm, begehrte er von seinem
Vater, er möge ihm den Dschelaled-din als Rathgeber und den Dichter
Hafis als Lehrer beigeben, was aber der König mit Entrüstung ablehnte
und seinen Sohn frug, ob er denn schon bei seinen Lebzeiten König werden
wolle, da er im Sinne habe, ihn zweier so ausgezeichneter Männer zu
berauben.
|