Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

25.

Gezeichnet hab' ich in mein Auge
Die Brauen einer Mondgestalt,

Das Traumbild eines grünen Flaumes
Mit reichen Farben ausgemalt;

Und hoffen will ich, dass der Freibrief
Den meine Liebe ausgestellt,

Durch jenen kleinen Brauenbogen
Die Weihe des Thugra erhält.1

Mein Haupt entrann der Hand2; mein Auge
Ist aus Erwartung brennend heiss,

Aus Lust nach Haupt und Auge dessen,
Der Schmuck verleiht dem Freundekreis.

Mein Herz ist tiefbetrübt, und Feuer
Will schleudern ich auf's Ordenskleid:

O komm, o komm es anzuschauen:
Ein Schauspiel ist's voll Herrlichkeit!

 Dort wo die Schaar der holden Schönen
Ihr Wimpernschwert gezogen hält,

Dort darf es dich nicht Wunder nehmen
Wenn manches Haupt zu Füssen fällt,

Ich, dem in nächtlichstiller Kammer
Als Mond erscheint Sein Wangenlicht,

Ich kümm're mich um die Gestirne
Und ihren hellen Schimmer nicht.

Ich Armer hab' des Herzens Zügel
Gelegt in eines Wesens Hand,

Das nie noch wegen Thron und Krone
Vor Jemand eine Scheu empfand.

Was ist Verein und was ist Trennung?
Streb' nach des Freund's zufried'nem Sinn,

Denn Schade wär' es zu begehren
Von Ihm noch Anderes als ihn.

Am Todestag lasst eine Bahre
Mir machen aus Zipressenholz,

Denn ich verscheid' am Brandmal dessen
Der hoch empor sich hebt und stolz.

Es holen sich die Fische Perlen
Und streu'n aus Sehnsucht sie auf's Land,

So oft das Liederschiff3 Hafisens
Erscheint an eines Meeres Strand.
 

1 D.h. Dass meine Liebe bestätigt, gültig, erhört werde. - Dem bereits früher erwähnten Thugra, d.i. dem Monogramme des Herrschers, das über die Freibriefe, Diplome, Fermane u. dergl. gesetzt wird und diese Urkunden erst rechtskräftig macht, wird hier von dem Dichter nicht ganz unpassend der kleine Bogen der Braue des Geliebten verglichen, da erwähntes Thugra aus geschweiften bogenförmigen Strichen besteht.

2 D.h. Ich kam von Sinnen.

3 D.i. wie bereits erwähnt, die Liedersammlung, der Diwan.

 

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