Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

26.

Ich schwöre es bei Seiner Seele:
Hätt' ich die Seel' in meiner Macht,

Ich hätte als geringste Gabe
Sie Seinen Dienern dargebracht;

Und hielten Seiner Locken Bande
Den Herzensfuss mir nicht zurück,

In diesem dunkeln Staubgefässe1
Verweilt' ich keinen Augenblick.

O trät' Er doch zu meiner Pforte
Als Licht herein, erglänzend hell,

Und über meine beiden Augen
Ergösse sich sein Machtbefehl!

Sein Angesicht ist, wie die Sonne,
Mit nichts vergleichbar auf der Welt;

Doch über's Herz muss, ach, ich klagen,
Das nicht ein Stäubchen Lieb' enthält.

 Ich kann Ihn selbst im Schlaf nicht schauen:
Was sprech' ich vom Genusse hier?

Erschiene, da mir dieser mangelt,
Doch mindestens nur jener mir!

Dass Seinem Wuchs sie huld'gen müssen
Gestanden selbst Zipressen ein,

Wenn eine Zunge sie besässen,
Der freien Lilje gleich im Hain.

Wie träte je Hafisens Klage
Aus der Verborgenheit hervor,

Wenn er nicht mit den Vögeln sänge,
Die Morgens beten ihren Chor.2
 

1 D.i. Auf dieser Erde.

2 D.h. Hafis würde durch seine Klagelieder nie berühmt geworden sein, wenn er nicht so fromm wie die Vögel zur Morgenzeit sänge.

 

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