Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

32.

Ich sah im Traume gestern Abends
Wie sich ein Mond erhob in Pracht,

Der durch den Abglanz seiner Wange
Ein Ziel gesetzt der Trennungsnacht.

Wie deut' ich dies? Zurückgekommen
Muss der verreis'te Freund wohl sein;

O träte er - der Himmel geb' es -
Im Augenblick zur Thür herein!

Ich preise ihn, o du mein Schenke,
Der Frohes stets verkündet mir!

Denn mit Pocalen und mit Bechern
Trat immer er herein zur Thür.

Schön wäre es, erblickt' im Traume
Die heimathlichen Fluren er:

Erinn'rung an die Freundschaft führte
Ihn dann die Strasse zu mir her.

Doch wer dein Führer war und wollte,
Dein Herz sollt' hart wie Kiesel sein,

Der stosse sich bei jedem Schritte
Den Fuss an einen Kieselstein.

O liesse sich der ew'ge Segen
Durch Gold erwerben und durch Kraft,

Es hätte Chiser's Lebenswasser
Sich Alexander wohl verschafft.

Ich hätte jenem Herzensschmeichler
Die Seele hingestreut mit Lust,

Wenn er, verklärt gleich einem Geiste,
Gesunken wär' an meine Brust.

Nie werde ich der Zeit vergessen
Wo mir vom Dach und durch die Thür

Vom Freund und Liebling Brief und Kunde
War zugekommen für und für!

Wo fände wohl der Nebenbuhler,
Die Möglichkeit so hart zu sein,

 Trät' einmal Nachts ein Hartbedrängter
Zu seines Richters Thür herein?

Der Rohe, der noch nie gewandert,
Kennt nicht der Liebe Seligkeit:

Such' dir ein Herz, so weit wie Meere,
Voll Starkmuth und Vollkommenheit.

Und hätt' ein Anderer gedichtet
So zart und lieblich wie Hafis,

Er war des Beifalls eines Königs,
Der die Verdienste schätzt, gewiss.
 

 

 

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