Aus: Buchstabe Te
35.
Zwar ist's nicht schicklich, vor dem Freund
Sein Wissen auszukramen:
D'rum schweigt die Zunge; doch der Mund
Ist voll arab'scher Namen.1
Die Peri birgt sich, und der Diw
Lässt Liebesblicke schweifen;
Es kann der staunende Verstand
Dies Wunder nicht begreifen.
Wenn das Geschick für Nied're sorgt,
So frage nicht: wesswegen?
Ist doch im Mangel eines Grund's
Der Grund davon gelegen.
Wer Rosen pflückt auf dieser Flur,
Wird auch den Dorn empfinden,
Wie sich im Lichte Mustafa's
Buleheb's Funken finden.2
Kein halbes Körnchen gebe ich
Für alle Stiftgebäude:
Die Bank ist mein Palast, der Krug
Mein Sommerhaus der Freude.
Der Rebentochter Schönheit hat
Mein Aug' mit Licht erfüllet,
Sie, die sich, wie das Aug', in Glas
Und zarte Häutchen hüllet;
Sie ist's, die Freudengeberin,
Die jetzt den Schmerz dir heilet,
Sie, die in China's Weingefäss
Und Haleb's Flasche weilet.3
Ich hatte tausendfach Verstand
Und Sittlichkeit, o Lehrer!
Nun lad' ich ein zum Gegentheil.
Als trunk'ner Weinverehrer.
Bring' Wein, weil ich, Hafisen gleich,
Ihn stets um Stärkung bitte,
Durch Thränen in der Morgenzeit
Und in der Nächte Mitte.
1 D.h.: Ich spreche das
Arabische vollkommen.
2 Balaheb, abgekürzt aus Ebuleheb, welches der Vater der Flamme heisst,
ist der im Koran (Sur. 111. V. 1.) erwähnte Name eines der
gefährlichsten Feinde des Propheten (der auch Mustafa, d.i. der
Auserwählte heisst und der jenen zum höllischen Feuer verdammte).
3 Zu Hafisens Zeiten pflegte man den Wein, in chinesischen Bechern oder
Schalen, aus Flaschen zu credenzen, die aus Haleb kamen.
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