Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

48.

Eine Stadt voll Zarter gibt es,
Üb'rall prangt daselbst ein Bild:1

Freunde, hört den Ruf der Liebe,
Seid zu handeln Ihr gewillt!

Einen Jüngling frisch wie diesen
Schaut wohl nie das Aug' der Welt,

Wie auch keine schön're Beute2
Je in Menschenhände fällt.

Sah man jemals einen Körper,
Der so ganz aus Geist bestand?

Hänge nie von Staubgebornen
Sich ein Staub an sein Gewand!3

Wesshalb weisest du so grausam
Mich Gebrochenen von dir?

Einen Kuss nur, ein Umarmen
Mehr erwart' ich nimmer mir.

 Lauter ist der Wein, d'rum eile,
Schon die Zeit, d'rum freue dich!

Wer verlässt wohl auf den Frühling
In dem nächsten Jahre sich?

Gleich der Tulpe und der Rose
Halten Zecher in dem Hain,

Eingedenk der Freundeswange
Einen Becher voll von Wein.

Kann ich diesen Knoten lösen?
Mach' ich dieses Räthsel klar?

Ist es doch ein hartes Leiden
Und ein schweres Werk fürwahr!

Jedes Haar Hafisens fesselt
Eines Schelmes Lockenhand;

Misslich ist es d'rum geworden
Zu bewohnen solch ein Land.
 

1 Diese Stadt ist Schiras, und unter dem Bilde sind die Schönen verstanden.

2 In der Bulaker Ausgabe steht irrig Nikiari, ein Bild, statt Schikiari, eine Beute.

3 D.h. Möge nie ein Sterblicher ihn betrüben.

 

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