Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

69.

Berauscht bin ich vom Glas der Liebe:
Darum, o Schenke, bringe Wein,

Und füll' das Glas, denn die Gesellschaft
Kann ohne Wein nicht glänzend1 sein!

Die Liebe für sein Mondesantlitz
Sei von des Vorhangs Hülle frei2

Du Sänger, lass ein Lied ertönen,
Du Schenke, schaffe Wein herbei!

Zum Thorring ist mein Wuchs geworden,
Auf dass dein Wächter mich hiefür

Von diesem Thore fort nicht sende
An irgend eine and're Thür.

Erwart' ich dein Gesicht zu schauen,
Geb' ich nur leerer Hoffnung Raum,

Und will ich mich mit dir vereinen,
Täuscht mich ein Wahnbild nur, ein Traum.

 Berauscht bin ich durch jene Augen
Doch frägst du jemals wohl nach mir?

Erkrankt bin ich durch jene Lippen;
Doch wird mir Antwort je von dir?

Hafis, wie magst dein Herz du setzen
An eines Schönen Wahngebild?

Hat je der Glanz des Wasserscheines
Den Durst des Durstigen gestillt?
 

1 Wörtlich: Wasserlos; da Ab, Wasser, im Persischen auch Glanz bedeutet.

2 D.h. Sei aller Welt bekannt. Wörtlich: Es ist nicht recht, dass die Liebe für Seine Mondeswange durch den Vorhang verhüllt sei. - Hafis gebraucht hier, wo er gleich darauf den Sänger anspricht, mit Vorsatz Worte, die auf Musik Bezug haben, wie: Perde, das Vorhang, aber auch Tonweise, und Rast, das recht und Stimmung des Instrumentes bedeutet.

 

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