Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Je

78.

An ihre beiden Locken
Band Selma mir das Herz,

Und meine Seele klaget
Mir täglich ihren Schmerz.

Gott, lass mir Herzberaubten
Erbarmen angedeih'n,

Und bald, trotz meiner Feinde,
Mit ihr vereint mich sein!

Du Läugner der du sagest,
Ich liebe Selma nicht,

Du blicktest einer Luli1
Wohl nie in's Angesicht!

Und wäre dir geworden
Ein Herz, das meinem glich',

In's Meer der Liebe tauchtest
Du sicher so wie ich.

 Zu Füssen lege sühnend
Ich meine Seele dir,

Wenn, was nicht schicklich wäre,
Du je bemerkt an mir.

Den Kummer meines Herzens
Zu theilen sei dir Pflicht,

Denn, was dir möchte frommen,
Erblickest du sonst nicht.

O Bild, im düst'ren Grame
Der Leidenschaft für dich

Wandt' an den Herrn der Diener2
Ich voll Vertrauen mich.

In deiner Lockenkrause
Verlor Hafis die Spur:

Im Schatten dunkler Nächte
Ist Gott ein Führer nur.
 

1 Siehe die 5. Anmerkung zum 8. Ghasel aus dem Buchstaben Elif.
[
5 Luli, der Name eines Stammes indischen Ursprungs, nämlich der Keredschi spottweise genannten Zigeuner, der sich zwischen Schiras und Ispahan herumtreibt und dessen Mädchen und Knaben sich durch Schönheit und musikalische Talente auszeichnen; sie haben ihren Namen von ihren lustigen Liedern, in welchen sie immer das Wort Luli wiederholen.]

2 D.i. An Gott.

 

zurück